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Echte Geschichten aus meinem bewegten Leben mit Typ-1-Diabetes

Im Rekordtempo von täglich 35 auf 25 Einheiten Insulin

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Seit etwa zwei Monaten nutze ich ein Östrogen-Gel, um eine Reihe von Beschwerden im Zusammenhang mit den Wechseljahren in den Griff zu bekommen. Und das wirkt sich auch ganz erheblich auf meine Insulinempfindlichkeit aus.

Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass ich so eine Kandidatin bin, an der die Wechseljahre supereasy vorbeiziehen. Als ich irgendwann vor nunmehr rund 7 Jahren meine letzte meine letzte Hormonspirale ziehen ließ und danach einfach gar keine Periode mehr hatte, kam mir das nicht wie ein gewaltiger Einschnitt vor. Und auch die mit der Postmenopause einhergehenden typischen Beschwerden hielten sich zunächst in Grenzen.

Problem 1: Hitzewallungen

Ja, da gab es gelegentliche Hitzewallungen. Die fand ich aber vor allem deshalb irritierend, weil ich diese neue Sorte Schweißausbruch erst einmal einsortieren musste. Schließlich gab es auf einmal eine ganze Reihe verschiedener Arten zu schwitzen: Schwitzen, weil es heiß ist. Schwitzen, weil ich Sport treibe. Schwitzen, weil ich eine Hypo habe. Schwitzen, weil ich nervös bin. Schwitzen, weil die damals gerade aus dem Lot geratene Schilddrüse feuerte. Und Schwitzen wegen der Wechseljahre. Wie unterschiedlich sich diese verschiedenen Formen von Schweißausbruch anfühlen, hatte ich hier beschrieben. Doch weil sich die Hitzewallungen bei mir im Rahmen hielten und ich als Heimarbeiterin jederzeit ein verschwitztes T-Shirt gegen ein trockenes austauschen kann, störten sie mich nicht allzu sehr. Ich witzelte dann immer nur: „Oh, heute ist mein Thermostat wohl wieder kaputt!“, wechselte die Klamotte und fertig.

Problem 2: Gelenk- und Muskelschmerzen

In den vergangenen paar Jahren habe ich aber eine Reihe weiterer Problemchen festgestellt, die sich auf die Umstellung meines Hormonhaushalts zurückführen lassen könnten. Da wären meine nicht enden wollenden Nacken- und Schulterschmerzen, wegen derer ich x Rezepte Physiotherapie durchgeturnt und ein Jahr lang für teures Geld mit Elektronischer Muskelstimulation (EMS) trainiert (das war leider kein Gamechanger) und Anfang des Jahres ein vierwöchiges Reha-Programm im Rückenzentrum am Michel absolviert habe (das war schon eher was). Viele Frauen haben während der Wechseljahre mit Muskel- und Gelenkschmerzen zu tun, auch wenn diese nicht als ‚Leitsymptom‘ gewertet werden.

Problem 3: Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen

Auch Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen treten während der Wechseljahre bekanntlich bei vielen Frauen auf. Tatsächlich fühlte ich mich psychisch seit Jahren nicht so richtig auf der Höhe und lag häufiger grübelnd wach als es gut ist. Mit Sicherheit spielt die Weltlage mit Klimakrise, bewaffneten Konflikten überall und der zunehmend aggressiven Stimmung in diesem Land dabei eine Rolle. Und auch ein schmerzender Nacken kann einen hartnäckig (oh, was für ein schönes Wortspiel!) wachhalten. Aber vielleicht eben auch ein bisschen der Östrogenmangel?

Problem 4: Libidoverlust und Scheidentrockenheit

Last but not least treten während der Wechseljahre auch häufig Libidoverlust und Scheidentrockenheit auf. Auch hier konnte ich einen Haken machen. Ich finde es nach über 15 Jahren Beziehung zwar durchaus befreiend, dass ich nicht mehr so oft an Sex denken muss wie in der Phase frischer Verliebtheit. Da hat man den Kopf auch mal frei für andere Gedanken. Aber so gar keine Lust mehr? Schmerzen beim und nach dem Sex? Das ist dann doch schade.

Hormonersatztherapie mit Estradiol und Progesteron

Alles zusammen gab für mich den Ausschlag, über eine Hormonersatztherapie (HRT) nachzudenken. Mein Gynäkologe empfahl mir zunächst, es einmal mit einem pflanzlichen Präparat (Femiloges) zu versuchen. Das zeigte leider so gar keinen Effekt. Also stellte er mir ein Rezept für ein Hormonersatzpräparat in Form eines Gels (Estreva) aus, das ich mir nun einmal täglich auf die Haut auftrage. Das darin enthaltene Estradiol regt allerdings das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut an, was zu einer Verdickung der Schleimhaut führen kann, was wiederum das Risiko für Gebärmutterkrebs erhöht. Deshalb nehme ich parallel dazu alle zwei Tage eine Tablette mit Progesteron (Famenita) ein, das diesem Prozess entgegenwirkt.

Insgesamt fühlt sich jetzt alles irgendwie besser an

Dass das Zeug wirkt, merkte ich ziemlich schnell. Ich konnte besser schlafen, und auch meine Stimmung besserte sich – zumindest soweit das angesichts der Weltlage aktuell möglich ist. Ich hatte wieder Lust auf Sex, und der Geschlechtsverkehr fühlte sich auch nicht blöd oder schmerzhaft an. Hitzewallungen standen für mich bei den Beschwerden nicht an erster Stelle, aber die sind vielleicht auch weniger geworden. Vielleicht sind auch meine Nacken- und Schulterschmerzen ein bisschen besser geworden. In diesem Punkt glaube ich zwar eher an die Effekte von gezieltem Krafttrainings und regelmäßigem Yoga bzw. Beweglichkeitsübungen. Aber trotzdem. Insgesamt fühle ich mich wieder deutlich wohler in meiner Haut. Und das ist doch schon ein beachtlicher Therapieerfolg, oder?

Bonus-Effekt: Deutlich verbesserte Insulinempfindlichkeit

Ich machte allerdings noch eine weitere wichtige Beobachtung. Binnen kürzester Zeit, nachdem ich mit der HRT begonnen hatte, verbesserte sich meine Insulinempfindlichkeit deutlich. Das ist kein wirklich überraschender Effekt, denn umgekehrt weiß man ja, dass bei Frauen mit Beginn der Wechseljahre das Risko für einen Typ-2-Diabetes steigt, weil das Fehlen des Östrogens die Insulinempfindlichkeit verschlechtert. Ich musste mir zwar bislang glücklicherweise keine ernsten Gedanken über eine gefährliche Insulinresistenz machen. Aber mit dem Start der HRT hat sich mein Insulinverbrauch so stark verringert, dass es auch Apple Health direkt auffiel: „Es gibt Veränderungen bei deiner Insulinzufuhr“, teilte mir mein iPhone wenige Wochen später mit.

Basalinsulin anpassen und Mahlzeitenfaktoren anpassen

Konkret konnte ich meine tägliche Dosis Basalinsulin (Lantus) von 12 auf 8 IE reduzieren, und beim Bolusinsulin (Liprolog) waren etliche Anpassungen bei meinen Mahlzeitenfaktoren erforderlich. Wohlgemerkt, ohne dass ich in den betreffenden Wochen an meinem sportlichen Pensum groß etwas geändert hätte. Das fand ich dann doch recht erstaunlich. Ob das bei jeder Frau so funktioniert, vermag ich nicht zu sagen. Doch ich würde anderen Frauen mit Typ-1-Diabetes raten, beim Start einer HRT ihre Insulinempfindlichkeit im Blick zu behalten und bei Bedarf die Insulindosierung entsprechend anzupassen.

Das leicht erhöhte Krebsrisiko durch HRT macht mir keine Angst

Ein paar Worte noch zu den möglichen Risiken einer HRT. Ja, ich weiß, dass sich mit einer HRT das Krebsrisiko geringfügig erhöht. Das ist aber ein Risiko, das ich in Kauf nehme. Zum einen liegen bei uns glücklicherweise Krebserkrankungen nicht in der Familie. Und zum anderen drehe ich durch meinen Lebensstil dafür an etlichen anderen Stellschrauben und reduziere damit mein Krebsrisiko. Ich rauche nicht, bin nicht adipös, halte mich fit und ernähre mich überwiegend gesund. Auch Alkohol kommt in meinem Leben kaum noch vor. Damit habe ich schon ziemlich viele Punkte auf der Haben-Seite. Was bei der Diskussion um das erhöhte Krebsrisiko bei einer HRT aber auch oft vergessen wird: Die zugeführten Hormone lindern nicht nur Wechseljahrsbeschwerden, sondern sie schützen auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und sie verhindern, dass sich durch den Östrogenmangel das Risiko für Osteoporose erhöht. Nicht dass ich mich in Sachen Herzinfarkt oder Schlaganfall als besonders gefährdet ansehen würde. Und meine Knochen profitieren mit Sicherheit von meinem Lauftraining und 10.000 Schritten am Tag. Aber insgesamt ich für mich zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen einer HRT für mich überwiegt.

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