Ist euch auch schon der Kampagnenfilm von Abbott zum Thema Diabetes-Stigma begegnet? Ich habe ihn inzwischen nicht nur im Umfeld von Diabetesmedien, sondern auch schon als Werbebanner auf Spiegel- oder ZEIT-Online gesehen. Es wäre toll, wenn er wirklich ganz groß die Runde machen würde.
Falls ihr den Spot noch nicht gesehen habt, dann klickt einfach hier und scrollt ein bisschen runter. Der Film begleitet einen Mann (nicht mehr ganz jung und übergewichtig) durch den Tag. Er hat Diabetes und wird fortwährend mit Vorurteilen und herabwürdigenden – oder zumindest gedankenlosen – Sprüchen über seine Erkrankung konfrontiert. Jedes dieser vorschnellen Urteile flattert auf einem Post-it in seine Richtung und bleibt an seinem Körper haften. Am Ende ist er gar nicht mehr als Person zu erkennen, so viele Haftnotizen kleben an ihm.
Bei den Sprüchen, die der Mann sich im Laufe seines exemplarischen Tages anhören muss, handelt es sich um Aussagen, denen Menschen mit Diabetes regelmäßig begegnen: „Ich dachte, mit Diabetes darf man keinen Donut essen!“ oder „Mit mehr Bewegung wäre es gar nicht erst soweit gekommen!“ oder „Deine Zuckerwerte waren auch schon mal besser!“ oder „Das hast du dir selbst zuzuschreiben!“.
Ich finde diesen Spot wirklich großartig, denn er visualisiert wunderbar, wie solche blöden Kommentare Menschen belasten. Jeder einzelne Spruch wiegt vielleicht nicht viel und ist sicherlich auch nicht immer böse gemeint („Jetzt stell dich doch nicht so an!“). Aber in der Summe sind sie eben doch gravierend, schmerzhaft und lähmend. Deshalb freue ich mich, dass Abbott als großes Unternehmen sich dieses wichtigen Themas annimmt und auch die breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam macht.
Die Kampagne wurde am 5. Juni 2025 vorgestellt, als ich just ohnehin für einen Job-Termin in Berlin war. Deshalb war ich natürlich gern mit dabei, als in unmittelbarer Nachbarschaft des Brandenburger Tors bei einer moderierten Podiumsdiskussion über das Thema gesprochen wurde. Mit dabei waren der Diabetologe Dr. Jens Kröger (DiabetesDE), die Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt (CDU/CSU-Fraktion), die Autorin und Fernsehmoderatorin Laura Karasek (Typ-1-Diabetes) und die besser unter ihrem Instagram-Namen bekannte @sweet.caromell.type2 bekannte Influencerin Caroline Ries (Typ-2-Diabetes). Davor wurden „Häppchen mit Ansage“ gereicht.





Ich muss gestehen, dass die Statements und die Diskussion mir persönlich nicht allzu viel neue Erkenntnisse bescherten. Doch es ging bei dem Event ja auch nicht um Leute wie mich, die sich schon seit geraumer Zeit mit (u. a. sprachlicher) Diskriminierung beschäftigen. Ich war ja aktiv daran beteiligt, das Thema #LanguageMatters in Bezug auf Diabetes auch in Deutschland ein bisschen voranzubringen und bin Mitautorin des 2022 veröffentlichten entsprechenden Positionspapiers. (Wenn du mehr Beiträge von mir zum Thema #LanguageMatters lesen möchtest, findest du hier auf dem Blog sogar eine eigene Rubrik dafür.) Zielgruppe waren vielmehr Menschen aus Medien und Öffentlichkeit, denen bislang eben noch nicht so bewusst war, was achtlos dahingesagte Kommentare für Folgen haben können.
Diese Folgen sind tatsächlich nicht zu unterschätzen, wie von Abbott erhobene Zahlen zeigen. So spiegeln eine Umfrage unter mehr als 2.600 Menschen mit Diabetes in acht Ländern, darunter auch Deutschland, sowie Ergebnisse biometrischer Tests und Daten aus einer lokalen deutschen Umfrage unter 3.000 Menschen mit Diabetes die Prävalenz und die Folgen von Diabetes-Stigma wider:
- Fast 40 % der Menschen zeigen eine erhöhte physiologische Reaktion auf vorurteilsbehaftete Aussagen, wie z. B. eine erhöhte Herzfrequenz und übermäßiges Schwitzen.
- 40 % der Menschen mit Diabetes haben aus Scham oder aufgrund von Stigmatisierung einen Arzttermin versäumt oder ausfallen lassen.
- Fast jeder Vierte hat im Alltag bereits Erfahrungen mit Stigmatisierung gemacht.
- 40 % der Menschen haben bereits negative Kommentare über Diabetes in den sozialen Medien erlebt.
Passend dazu kann ich euch natürlich auch ein bisschen anekdotische Evidenz aus meinem Fundus liefern. In diesem Blogbeitrag habe ich schon vor 10 Jahren einmal zusammengefasst, welche dummen Sprüche ich mir in Sachen Diabetes anhören musste. Okay, ein paar witzige Sprüche sind auch dabei. Aber bis heute unübertroffen ist der folgende Geburtstagsgruß einer etwas schrulligen Verwandten, der mir vor etlichen Jahren ins Haus flatterte:

Da erübrigt sich jeder weitere Kommentar, oder?
Disclaimer: Zu der in diesem Blogbeitrag beschriebenen Veranstaltung wurde ich von Abbott eingeladen. Meine Reisekosten nach Berlin hat Abbott aber nicht übernommen, ebensowenig habe ich diesen Bericht mit Abbott abgesprochen oder erhalte ich Geld dafür.
