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Von wegen zuckerkrank – ein Blog über glückliches Leben, leckere Ernährung und Sport mit Typ-1-Diabetes

Nanu, zelebrieren die beim „Spiegel“ auch den Diabetesmonat November?

Wenn ich mich über Diabetesthemen informieren möchte, schlage ich in der Regel nicht die aktuelle Ausgabe des „Spiegel“ auf. Ich schaue auch nicht bei „Spiegel Online“ nach. Es kommt normalerweise nämlich einfach eher selten vor, dass sich das Nachrichtenmagazin mit Diabetes beschäftigt. Doch dieser Monat November scheint die große Ausnahme zu sein: Ich habe fünf längere Artikel im Spiegel entdeckt, die sich alle mit verschiedenen Facetten des Diabetes beschäftigen.

Und ich will es vorwegnehmen: Bis auf einen finde ich die Artikel alle gut geschrieben und ordentlich recherchiert.

Insulinproduzierende Betazellen aus embryonalen Stammzellen

Den Auftakt bildete der Artikel „Zuckergesund“, der am 5. November 2016 in der Printausgabe des Spiegel abgedruckt war. Darin schildert der Redakteur Johann Grolle auf drei Seiten, wie der US-amerikanische Biologe Douglas Melton quasi sein gesamtes Berufsleben der Diabetesforschung gewidmet hat – weil sein eigener Sohn vor 20 Jahren als Säugling die Diagnose Typ-1-Diabetes erhielt. Ein wirklich spannender Artikel, der einmal mehr verdeutlicht, wie viel Arbeit dahinter steckt, neue insulinproduzierende Betazellen aus embryonalen Stammzellen zu züchten. Und weil ich den Artikel wirklich gut fand, bedankte ich mich per Mail bei seinem Autor. Tatsächlich störte mich nur eine ganz kleine Sache, gleich im ersten Absatz: Da heißt es „Sam war – äußerst ungewöhnlich für einen Säugling – zuckerkrank.“ Ich schrieb Johann Grolle also:

„Mit zuckerkrank verbinden die meisten Menschen Typ-2-Diabetes, den klassischen ‚Alterszucker’. Da wäre eine Diagnose im Säuglingsalter tatsächlich ungewöhnlich. Bei Kindern ist Typ-1-Diabetes aber tatsächlich die häufigste Autoimmunerkrankung, da ist die Diagnose also gar nicht sooooo ungewöhnlich. Vielleicht wäre es besser gewesen, von Anfang die Erkrankung klar als ‚Typ-1-Diabetes’ zu benennen. Damit würden Sie den allermeisten Typ-1-Diabetikern auch eine große Freude machen, denn sie werden so oft mit Typ-2-Diabetikern in einen Topf geworfen, obwohl es ja zwei grundlegend verschiedene Krankheiten sind, sodass viele nur noch die Augen rollen, wenn einfach nur von ‚Diabetes’ die Rede ist.“

Noch am selben Tag hatte ich eine Antwort des Kollegen im Postfach, in der er schrieb:

„In der Tat habe ich nach der richtigen Stelle gesucht, klarzumachen, dass es sich in diesem Fall selbstverständlich um Typ-1-Diabetes handelt. Da ich angenommen hatte, dass ohnehin niemand auf die Idee kommen wird, es könne sich um Typ-2 handeln, dachte ich, dies nicht ganz am Anfang tun zu müssen. Aber Sie werden es besser wissen: Offenbar ist vielen Leuten der Unterschied immer noch nicht hinlänglich klar. Was die Diagnose im Säuglingsalter betrifft: Douglas Melton sagte mir, seinerzeit (1991) sei eine solche Diagnose so ungewöhnlich gewesen, dass die Ärzte im Boston Children’s Hospital (eines der bedeutendsten Kinderkrankenhäuser der Welt) so etwas noch nie gesehen hatten. Das schien mir ausreichend, um von „äußerst ungewöhnlich“ zu sprechen. Inzwischen hat die Häufigkeit von Typ-1-Diabetes, wie Sie wissen, deutlich zugenommen, und damit insbesondere wohl auch die unter Säuglingen.“

Und weil ich ihm geschrieben hatte, dass ich gern meine Blogleser auf den Beitrag aufmerksam machen würde, schickte er mir auch gleich eine pdf-Datei mit dem Artikel aus der Printausgabe, der nämlich online bislang nicht (auch nicht als Bezahlversion) verfügbar ist. Ihr könnt den Artikel also hier auch selbst einmal lesen. Vielen Dank auch auf diesem Wege für diese prompte Antwort und die pdf-Datei des Artikels!

Todesfall beim Wunderheiler – und Hypo-Schock nach Insulinverzicht?

Nicht wirklich toll fand ich den nächsten Artikel, den ich am 14. November 2016 auf Spiegel Online entdeckte und der in einigen Facebook-Gruppen für Wirbel und Empörung sorgte. In dem Artikel „Diabetikerin stirbt nach chinesischer Prügeltherapie“ erzählt Annette Langer die Geschichte der 71-jährigen Typ-1-Diabetikerin Danielle C., die dem dubiosen Heilsversprechen eines chinesischen Wunderheilers aufgesessen und letztlich an den Folgen gestorben ist. Es mag ja sein, dass die Story im Kern stimmt, doch die Schilderung enthält einen gravierenden Fehler, der mich an der ganzen Geschichte zweifeln lässt. So heißt es in dem Artikel: „Trotz schwerer hypoglykämischer Schocks setzte C. in Bulgarien demnach die Insulinbehandlung auf eigenen Wunsch aus. Hongchi soll sie allerdings angesichts ihres schlechten Gesundheitszustands gebeten haben, das Medikament wieder einzunehmen. Sie entsprach dem, reduzierte die Insulinmenge wohl aber um die Hälfte.“

Jeder halbwegs geschulte Diabetiker sollte hier stutzig werden. Also schrieb ich auch dieser Spiegel-Autorin eine Mail, natürlich in der Hoffnung, dass sie ebenso bereitwillig wie ihr Kollege ein paar Tage zuvor antworten würde:

„Dies kann sich unmöglich so zugetragen haben. Eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) erleidet man als Diabetiker nicht, wenn man Insulin verringert oder absetzt, sondern im Gegenteil, wenn man zu viel Insulin spritzt, oder weniger isst als man es für die gespritzte Insulinmenge hätte tun müssen, oder wenn man sich mehr bewegt als man zuvor einkalkuliert hatte, oder wenn man sein Essen nicht bei sich behalten konnte. Umgekehrt führt eine Verringerung der Insulinmenge zur Hyperglykämie (Überzuckerung). Was Sie genau mit ‚Schock’ meinen, erschließt sich mir nicht. Im Falle einer Hypoglykämie können Diabetiker benommen, unzurechnungsfähig werden, sie schwitzen und bekommen wackelige Knie, können sich wie betrunken verhalten, manche krampfen auch. Wird kein Zucker zugeführt, können sie bewusstlos werden.  Eine schwere Überzuckerung führt unbehandelt in die Ketoazidose, eine schwere Stoffwechselentgleisung, bei der sich der Betroffene unendlich müde fühlt, sich nur schwer bewegen kann, sein Atem nach Azeton riecht und die letztlich ins diabetische Koma führt. Diese Komplikationen und ihre Symptome sind leicht zu recherchieren. Und sollten Ihre Quellen, wie von Ihnen beschrieben, von ‚hypoglykämischen Schocks’ berichtet haben, wäre von Ihrer Seite aus Zweifel an der Verlässlichkeit der Quelle angebracht gewesen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir kurz schildern, wie Sie auf Ihre Darstellung gekommen sind. Vielen Dank im voraus!“

Leider hat Annette Langer mir bis heute nicht erklärt, was sie unter einem hypoglykämischen Schock in Zusammenhang mit dem Verzicht auf die lebenswichtige Insulinzufuhr versteht. Schade, aber macht nix, denn ich freute mich, dass am 14. November 2016 nicht nur die Diabetes-Community, sondern auch Spiegel Online des Geburtstags von Frederick Banting gedachte, der das Insulin entdeckte und zusammen mit seinem Kollegen Charles Best 1921 erstmals Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Hundes isolierte und für die Anwendung am Menschen aufbereitete.

Auslandssemester mit Typ-1-Diabetes? Und was ist mit der Krankenversicherung?

Gut gefallen hat mir am 19. November 2016 auch der Gastbeitrag von Lea-Melissa Vehling auf Spiegel Online. Die Autorin ist Studentin, hat Typ-1-Diabetes und bloggt über ihr Auslandssemester in den USA. Auf Spiegel Online erschien ein Beitrag aus ihrem Blog, in dem sie über ihre erheblichen Schwierigkeiten im Vorfeld des Auslandssemesters berichtete. Es erwies sich nämlich als schier unmöglich, eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen, die ihre Insulin- und Pumpentherapie zu den aus Deutschland gewohnten Konditionen abdecken würde. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Artikel manch einem Spiegel-Leser vor Augen geführt hat, dass Diabetes nicht immer nur mit „ach das bisschen Zucker“ abgetan werden kann. Denn der Text vermittelt sehr eindringlich, dass eine Studentin mit Typ-1-Diabetes eben nicht so einfach wie alle anderen ein Auslandssemester einschieben kann – obwohl doch überall von Inklusion und Chancengleichheit die Rede ist und jedem Diabetiker in seinen Schulungen vorgebetet wird, dass er auch mit Diabetes im Grunde alles machen kann.

Depressionen bei Diabetes – davon weiß die Öffentlichkeit bislang nicht viel

Ein wichtiges Stück Aufklärung über die Probleme, die mit einem Diabetes verbunden sein können, war auch der Artikel „Wenn die Seele unter der Zuckerkrankheit leidet“ von Lea Wolz, der am 20. November 2016 auf Spiegel Online veröffentlicht wurde. Die Autorin beschreibt darin sehr anschaulich, wie der Diabetes auch die Psyche beeinträchtigen kann – was sich dann in Form von Akzeptanzproblemen, Insulin-Purging oder anderen Essstörungen sowie Depressionen äußern kann. Auch so ein Thema, das in der Öffentlichkeit bislang kaum bekannt ist.

Ich finde diese Häufung von Diabetes-Artikeln im Spiegel diesen Monat wirklich auffällig und bin sehr positiv überrascht! Vielen Dank, lieber Spiegel, und weiter so!

 

 

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