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Echte Geschichten aus meinem bewegten Leben mit Typ-1-Diabetes

Drei Tage mit einem Pumpen-Dummy: Ja, ich will jetzt ein AID-System!

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Wer mir schon länger folgt, kennt meine Vorliebe für Insulinpens und meine Bedenken gegenüber der Pumpentherapie. Doch in den vergangenen Monaten hat sich meine Haltung geändert. Und deshalb habe ich in meiner Diabetespraxis kürzlich an einem Infoabend zu Insulinpumpen teilgenommen und diese Woche ein paar Tage lang das Tragegefühl der Ypsopump getestet.

Kurzfristige Anwandlungen, es vielleicht doch einmal mit einer Insulinpumpe zu probieren, hatte ich im Laufe der Jahre immer wieder einmal. Doch meist steckte dahinter eher diffuse FOMO (fear of missing out – also die Angst, etwas zu verpassen) und kein echter Wunsch nach Veränderung. Weshalb regelmäßig binnen kürzester Zeit meine Trägheit wieder die Oberhand hatte: Warum etwas Neues starten, wenn es doch eigentlich prima läuft?

Inzwischen ist das ein bisschen anders. Ich erreiche zwar weiterhin mit CGM und klassischer Basal-Bolus-Therapie alle Therapieziele, sodass mein Diadoc weit davon entfernt ist, mir eine Insulinpumpe aufzuschwatzen. Aber ich empfinde den Aufwand, den ich für stabile Glukosekurven betreiben muss, mittlerweile als deutlich belastender als früher.

Zu viele nächtliche Hypo-Alarme während der Aktivreise

Während unserer Aktivreise nach Masuren war ich besonders genervt von meinem Diabetes, weil ich nachts so häufig von Hypo-Alarmen geweckt wurde und aufgrund der vielen langandauernden Sporteinheiten (ausgedehnte Kajak- und Fahrradtouren und eine Wanderung) so eklig viele Extra-Kohlenhydrate zuführen musste. Ich habe mir zwar nach dem Urlaub noch einmal Gedanken über mein Diabetesmanagement während der Aktivreise gemacht und einiges entdeckt, was ich rückblickend besser anders gemacht hätte. Aber wäre es nicht toll, wenn ich gleich im ersten Anlauf Unterstützung von einem zumindest halbautomatischen System gehabt hätte, das im Zweifel auch mal die Insulinzufuhr drosselt oder einen Bolus halbiert? Wenn der Algorithmus nachts für schnurgerade Verläufe sorgt (und genau das berichten ja quasi alle Leute, die ein AID-System tragen), bräuchte ich auf meinem Nachttisch auch keine Batterie von Trinkpäckchen mehr. Aktuell ist ein Organgenfruchtsaftgetränk mit dem schönen Namen „Karli Kugelblitz“ (quasi Capri Sonne, aber günstiger) mein Favorit für nächtliche Hypos. Mit Sicherheit hätte der gute Karli deutlich weniger Einsätze, wenn ich ein AID-System nutzen würde.

Ständig wechselnde Insulinempfindlichkeit

Doch auch ohne Sport geht mir mein Diabetes mit seinen Allüren inzwischen mehr auf die Nerven. Genau genommen kann er vermutlich gar nichts für seine Macken, denn er lässt sich halt von der Hormon-Gesamtgemengelage in meinem Körper beeinflussen. Und die ist während der Wechseljahre nun einmal nicht immer stabil (siehe mein Beitrag hier, in dem ich die Auswirkungen der Hormonersatztherapie auf meine Insulinempfindlichkeit beschrieben habe). In der Praxis heißt das: Alle paar Wochen muss ich meine tägliche Basaldosis anpassen, die deshalb zwischen 8 und 14 Einheiten Lantus pro Tag pendelt. Gleiches gilt für meine Bolus- und Korrekturfaktoren: Wenn ich es wieder mal an der Zeit ist, Lantus hochzuschrauben, muss ich auch für Mahlzeiten und Korrekturen deutlich mehr Insulin spritzen. Das alle paar Wochen neu auszutarieren, finde ich sehr anstrengend, auch wenn es mir summa summarum gut gelingt.

Jedes System hat so seine Vor- und Nachteile

Vor ein paar Wochen war ich also beim Infoabend zur Insulinpumpentherapie in meiner Diabetespraxis. Zuvor hatte ich mir schon eine Menge Gedanken über die verschiedenen Systeme zur (halb)automatisierten Insulindosierung (AID) gemacht, die derzeit am Markt sind. Die Pumpen von Medtronic scheiden für mich aus, weil ich den Medtronic-Sensor, den ich im Rahmen der Sensorstudie an der Universität Bayreuth testen durften, einfach unterirdisch fand. Bei der der t:slim ist es der Algorithmus (nicht selbstlernend), der mich abschreckt. Die Dana-i ist in meinen Augen nur für Leute interessant, die sich einen Open Source-Loop bauen wollen. Beim Omnipod hadere ich mit der Teflonkanüle und den Müllbergen, die entstehen, wenn man alle drei Tage ein komplettes elektronisches Bauteil in den Müll wirft (bzw. zum Recycling an den Hersteller zurückschickt). Weil ich aber eigentlich mit einer schlauchlosen Pumpe liebäugelte, erschien mir zunächst die Kaleido eine sinnvolle Option zu sein. Hier werden die entscheidenden Bauteile des Pods immer wieder verwendet, auch der Algorithmus DBLG1 soll dem des Omnipod überlegen sein. Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass das Befüllen des Reservoirs eine ungeheuer frickelige Angelegenheit ist und dass ein Großteil der Serviceanfragen bei Händlern wie Diashop auf Probleme mit der Kaleido-Pumpe zurückgehen. Das System scheint also bei vielen Leuten nicht ganz einwandfrei zu funktionieren.

Für die Ypsopump zurück zum Freestyle Libre 3?

Was bleibt, ist die Ypsopump in Kombination mit dem CamAPS-Algorithmus. Natürlich erfordert auch dieses System ein paar Kompromisse. So müsste ich, da es bislang nicht mit dem Dexcom G7 funktioniert, wieder zurück zum Freestyle Libre 3 (FSL3) wechseln. Was ich aber gar nicht mehr soooo tragisch fände, denn meine anfängliche Begeisterung für den G7 ist mittlerweile ein wenig abgekühlt: Bei meinem letzten HbA1c-Wert (6,2%) hatte ich eine deutliche Abweichung zum von Clarity erreichneten GMI (6,8%), während die beiden Werte sich beim Libre regelmäßig allenfalls um 0,2% unterschieden. Außerdem nerven mich die ständigen Signalverluste zwischen G7 und Apple Watch und/oder iPhone. Wenn bei einer AID-Therapie auch noch meine passgenau abgestimmte Insulinzufuhr von den CGM-Werten abhängt, reagiere ich mit Sicherheit noch einmal ungehaltener auf das offenbar häufig zu schwache Bluetooth-Signal des G7. In diesem Punkt habe ich den FSL3 einfach zuverlässiger in Erinnerung. Insgesamt denke ich, dass ich mich gut wieder mit diesem Sensor arrangieren könnte – auch wenn ich es definitiv vermissen würde, die Glukosewerte direkt auf der Apple Watch sehen zu können (wobei man das natürlich auch mit einem kleinen Workaround via XDrip lösen könnte… wenn ich schon mal mit dem Verändern anfange, könnte ich das doch eigentlich auch in Angriff nehmen?). Als weiteren Nachteil sehe ich natürlich den Schlauch: Das war in den ganzen Jahren immer die Vorstellung, die mich am meisten abgetörnt und letztlich von einem Wechsel zur Pumpentherapie abgehalten hat.

Mein Favorit ist die Ypsopump mit CamAPS

Dafür überzeugen mich aber ganz viele Punkte an diesem System: Die Ypsopump selbst ist kompakt und handlich. Sie lässt sich komplett über die App steuern, sodass man sie im Verlauf des Tages gar nicht herausholen muss, sondern irgendwo in der Kleidung unterbringen kann. Der Reservoirwechsel geht ratzfatz, wenn man die vorgefüllten Reservoirs nutzt, mit befüllbaren Reservoirs (aus Glas, nicht aus Plastik!) ist es ebenfalls schnell gemacht. Man kann zwischen Stahl- und Teflonkathetern wählen. Und der CamAPS-Algorithmus hat meiner Beobachtung im Vergleich zu den anderen AID-Algorithmen nach die meisten Fans in der Diatec-Szene.

Schlechter Traum offenbart meine psychischen Widerstände

Beim Infoabend in meiner Diabetespraxis meldete ich also Interesse am Probetragen der Ypsopump an. Erstmal als Dummy, ohne Insulin, nur um das Tragegefühl zu testen. Schließlich hatte ich bislang weder eine technische Einweisung, noch eine Schulung. In der Nacht vor meinem Termin, bei dem mir der Katheter gesetzt und die Pumpe mitgegeben werden sollte, schlief ich sehr schlecht. Zum einen wachte ich bei jedem Umdrehen halb auf und dachte: „Oje, wenn ich eine Schlauchpumpe dran hätte, würde sie jetzt im Bett herumpurzeln und mir am Ende den Katheter rausziehen, was bestimmt sehr weh tut!“ Schlimmer war der Traum, aus dem ich irgendwann beunruhigt aufwachte: Darin trug ich eine Insulinpumpe, was allerdings auch zur Folge hatte, dass mein linker Arm in einer Art Schiene steckte und ich ihn kaum bewegen konnte. Außerdem klebte irgendein Patch mitten in meinem Gesicht und ich kapierte lange gar nicht, dass ich den lästigen Aufkleber auch abziehen kann. Ich fühlte mich maximal in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und unwohl. Klar, in dieser unruhigen Nacht offenbarten sich all die Bedenken und psychischen Widerstände, die ich so zum Thema Pumpe zusammengesammelt habe. Zum Glück unterdrückte ich den spontanen Impuls, den Termin in der Diabetespraxis abzusagen.

Tagsüber am liebsten zwischen den Brüsten im BH

Die Diabetesberaterin schmunzelte, als ich ihr davon erzählte und versicherte mir, dass mich die Pumpe kaum stören würde. (Ähnliches haben mir natürlich auch schon x Leute aus der Community erzählt.) Wir setzten den Katheter vorn an meinem Bauch, den ich tatsächlich weder beim Setzen, noch später irgendwann großartig spürte. Ich übte ein paarmal das An- und Abkoppeln des Schlauchs. Cool, dass sich das Infusionsset um 360° drehen lässt, das erlaubt wirklich große Flexibiliät. Die Diabetesberaterin gab mir einen Clip mit, mit dem ich die Pumpe an meinem BH befestigen konnte. Zu Hause probierte ich auch andere Stellen aus und stellte fest, dass ich die Pumpe am liebsten ohne den Clip einfach zwischen den Brüsten im BH trage. Dort fällt sie nicht auf, der Schlauch bleibt komplett oberhalb des Hosenbunds und bietet keine „Angriffsfläche“, und auch beim Laufen stört sie mich nicht.

Auch in der Unterhose trägt sich die Pumpe bequem

Ich hatte mir sogar eigens für mein Probetragen eine der Hipster-Unterhosen von Anna PS bestellt, bei denen man die Pumpe auf Höhe der Leiste in einer innen eingenähten Tasche in der Unterhose verstauen kann. Auch darin trägt sich die Pumpe sehr bequem, allerdings musste ich mich erst einmal daran gewöhnen, dass ich beim Hose-Runterlassen auf der Toilette auf den Schlauch achten muss. Dafür kleine Abzüge in der B-Note für diese Tragestelle. Die Unterwäsche von Anna PS ist dennoch prima, wenngleich ich sie echt ziemlich teuer finde (auch wenn ich nachvollziehen kann, dass kleine Stückzahlen und faire Produktion in Europa nicht zu Schnäppchenpreisen möglich sind). Sollte ich demnächst ins Lager der Pumpenträgerinnen wechseln, werde ich mir vermutlich selbst aus Jerseystoff innenliegende Taschen in ein paar meiner Unterhosen nähen.

„Ich drehe mich nachts wie ein Dönerspieß“

Nachts folgte ich erst dem Rat meiner Diabetesberaterin, die Pumpe einfach neben mich ins Bett zu legen. Sie würde einfach mitwandern, wenn ich mich drehe und wende, hatte sie gesagt. Beim Infoabend war das außer mir auch einer anderen Teilnehmerin nicht ganz geheuer vorgekommen: „Ich drehe mich nachts wie ein Dönerspieß“, hatte sie so schön gesagt, „ob das wohl gutgeht?“ Auch wenn ich selbst noch nie auf den Vergleich mit einem Dönerspieß gekommen war 🙂 , rolle mich im Schlaf durchaus auch häufig hin und her. In meiner ersten Nacht mit der Pumpe probierte ich es aus. Es ging gut: Die Pumpe lag morgens neben mir im Bett, als sei nichts gewesen. Ich hatte mir weder den Katheter rausgerissen, noch hatte sich Christoph auf die Pumpe gerollt. Trotzdem fühlte ich mich nicht ganz wohl mit dieser Variante. Dafür stellte ich fest, dass die Pumpe die ganze Nacht an ihrem Platz bleibt und nicht stört, wenn ich sie einfach unter den Bund der Pyjamahose klemme. Vielleicht würde ich mir vorsichtshalber auch hier noch ein Täschchen von innen an den Hosenbund nähen, mal schauen.

Mein Fazit: Das lässt sich durchaus aushalten!

Nach drei Tagen Trockendurchlauf mit der Pumpe habe ich also meine Berührungsängste überwunden. Die Pumpe stört im Alltag nicht, der Katheter saß die ganze Zeit bombenfest, juckte nicht und hinterließ auch keine sichtbaren Spuren auf der Haut. Und bei meinem Probetragen mit dem Dummy bin ich ja noch nicht einmal in den Genuss der Vorzüge der automatischen Insulindosiserung gekommen! Weil die Pumpe nicht mit Insulin befüllt und via Algorithmus mit meinem CGM verbunden war, musste ich ja weiterhin alles selbst im Blick behalten und mit meinem Insulinpen hantieren. Es kann deshalb wirklich gut sein, dass es mir am Ende genauso geht wie so vielen anderen Typ-Einsern mit Insulinpumpe und ich ebenfalls sage: „Ich habe mich jahrelang gegen eine Pumpe gesträubt, aber nun möchte ich sie nicht mehr hergeben!“ Daher habe ich nun beschlossen, dass ich einen Versuch mit der Ypsopump starten möchte. Ich werde also meine Diabetespraxis bitten, mir eine Verordnung für die Pumpe inklusive Wechsel zurück zum FSL3 zu verordnen – und dann schauen wir mal, was die Krankenkasse dazu sagt und wie es weitergeht!

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