„Na, hast du deine Pumpe schon beantragt?“ oder „Ist deine Pumpe schon bewilligt?“ oder „Für welches Modell hast du dich entschieden?“ Das sind Fragen, die mir in letzter Zeit zuhauf gestellt wurden, nachdem ich Ende Dezember hier darüber geschrieben hatte, dass ich so langsam auch über eine Insulinpumpe nachdenke und auch den schlauchlosen Demo-Pod überhaupt nicht störend fand.
Ich muss da wohl so geklungen haben, als sei ich neuerdings total begeistert von der Idee, eine Insulinpumpe an meinem Körper zu befestigen und mir mein Insulin nicht mehr via Pennadel, sondern per Knopfdruck zuzuführen. Ein Weilchen mag ich das auch so empfunden haben. Doch nun sind ein paar Wochen ins Land gegangen, und ich habe weder Anstalten in Richtung Pumpen-Antrag unternommen, noch die geringste Lust auf diesen Schritt verspürt.
Ups, das ist aber eine lange Liste von Unannehmlichkeiten einer Insulinpumpe!
Und deshalb habe ich nachgedacht, warum das so ist. Zum einen erscheint mir das bürokratische Hickhack natürlich wenig attraktiv. So einen Mist braucht kein Mensch, da finde ich genug schönere Dinge, mit denen ich meine Freizeit verbringen kann. Doch wenn ich überzeugt wäre, dass dies der richtige Schritt ist, dann würde ich natürlich die Zähne zusammenbeißen und mich ins Getümmel werfen. Tatsache ist aber, dass meine alten Bedenken sich erneut mit Wucht breitgemacht haben, kombiniert mit typischen Probleme mit einer Insulinpumpe, von denen man in der Community so hört.
- Wozu brauche ich eine Insulinpumpe, wo mein Basalbedarf doch über den Tag verteilt nahezu konstant ist und meine Werte keine nennenswerten Ausreißer machen? Mein Basalinsulin wirkt zuverlässig über 24 Stunden, sofern ich die Injektion nicht versäume (was noch nie passiert ist). Ich habe im Grunde nicht das geringste Risiko, wegen eines Insulinmangels in eine gefährliche Ketoazidose zu rutschen. Und brauche deshalb z. B. auch keine Keton-Messstreifen in meinem Diabetes-Equipment, das dadurch nochmal ein bisschen schlanker ausfällt.
- In den vergangenen Wochen habe ich auf Facebook und Instagram besonders aufmerksam die Posts zu Insulinpumpen und den verschiedenen Tragestellen für Katheter verfolgt. Auch ohne eigene praktische Erfahrung kann ich diverse Vor- und Nachteile von Bauch, Flanke oder Oberschenkel aufzählen. Und stelle fest, dass ich keine Lust habe, mir diese Gedanken über meinen eigenen Körper zu machen: Kann ich mir den Katheter leicht unbedacht herausreißen, wenn ich ihn hier oder dort platziere? Wo wirkt das Insulin am besten und wie muss ich das bei der Bolusdosierung und beim Spritz-Ess-Abstand berücksichtigen? Puh.
- Bei einer Insulinpumpe gibt es so viele Entscheidungen zu treffen! Schlauch- oder Patch-Pumpe? Welches Modell? Teflon- oder Stahl-Katheter? Schlauchlänge? Wieder puh! Klar, damit muss man sich im Wesentlichen einmal zu Beginn der Pumpentherapie auseinandersetzen, doch warum das alles, wenn es mit dem Insulinpen doch prima läuft?
- Eine Insulinpumpe ist ein sensibles elektronisches Gerät, das an deutlich mehr Stellen Ausfallerscheinungen zeigen und Probleme bereiten kann als ein Insulinpen. Diese hier fallen mir ganz spontan ein:
1. Schlauch abgeknickt – Insulinzufuhr unterbrochen.
2. Katheter verstopft – Insulinzufuhr unterbrochen.
3. Motor-, Elektronik- oder sonstiger Fehler der Insulinpumpe – Insulinzufuhr unterbrochen.
4. Katheterstelle entzündet – Infektion, möglicherweise sogar Abszess.
5. Katheter rausgerissen – erstmal alles neu machen.
6. Wohin mit der Pumpe beim Sport, beim Duschen, beim Schwimmen, beim Saunagang, beim Sex? Spezial-Shirts mit Extrataschen anschaffen? Abkoppeln und mit Insulinpen überbrücken? Zwischendurch wieder ankoppeln und Extrabolus abgeben? Sicher mit ein bisschen Fantasie alles lösbar – aber so viele Gedanken!
7. Sonderbehandlung inklusive Sprengstofftest am Flughafen (nicht immer, aber kann eben doch passieren und frisst unnötig Zeit).
8. All dieses Gepäck! Man muss ja immer Ersatzkatheter bzw. Pods dabeihaben PLUS für den Notfall Insulinpens oder Einwegspritzen, um die Insulinzufuhr zu sichern, falls die Pumpe versagt.
9. In den meisten Fällen sicher eine eher theoretische Gefahr – doch eine Insulinpumpe kann gehackt werden, zumal wenn sie drahtlos mit anderen Devices verbunden ist.
10. Mit eigener praktischer Erfahrung würde sich dieser Punkt vielleicht in Luft auflösen, doch aktuell hätte ich Sorge, dass ich durch versehentlichen Druck auf die Tasten der Pumpe einen ungewollten Bolus abgebe (wie soll das eigentlich gehen, wenn an einer schlauchlosen Pumpe ein Knopf für einen Bolus eingebaut ist wie es der neue chinesische Player Medtrum plant? Wie bin ich davor geschützt, mich im Schlaf auf diesen Knopf zu rollen und mich mit einer Welle Insulin ins Jenseits zu befördern?)
11. Ja ja, die Eitelkeit. Es reicht mir völlig, wenn ich mir beim Anziehen Gedanken machen muss, wie ich Problemzonen kaschiere. Ich möchte nicht auch noch darüber nachdenken müssen, wie ich eine Insulinpumpe geschickt optisch verberge.
Mit dem Insulinpen gibt es nur wenig Chancen auf echte Pannen
Demgegenüber kann ich die Pannen, die mir mit meinem Pen passiert sind, ich an zwei Fingern abzählen: Einmal hatte nach einem Sturz des Insulinpens meine Insulinampulle einen Riss. Dadurch kam kaum Basalinsulin an, was ich dummerweise erst nach ein paar Tagen bemerkte, es gab aber bis auf erhöhte Nüchternwerte keine Komplikationen. Und einmal ist mir die Pennadel abgeknickt, was beim allzu hastigen Wechsel der Nadel halt mal passieren kann. Da ich es aber sofort gesehen und eine neue Pennadel aufgeschraubt habe, ist das wohl kaum als Fehler zu werten. Da zählt dann eher, dass man einen Insulinpen (samt Diabetestäschchen) mal zu Hause vergessen kann – was mir bislang exakt zweimal passiert ist, einmal zum Beispiel im Mai 2017, als ich von der DDG-Jahrestagung in Hamburg berichten sollte und mein lieber Mann mir das Täschchen von Elmshorn nach Hamburg hinterhergebracht hat.
Die Vorteile einer Insulinpumpe sind mir natürlich weiterhin bewusst: Man kann einen Bolus ganz diskret abgeben, ohne den Bauch freimachen zu müssen (gerade in aller Öffentlichkeit, draußen und im Winter manchmal etwas unangenehm). Man kann einen Bolus splitten oder verzögern. Wer – anders als ich – einen stark schwankenden Basalbedarf hat, wird um eine Pumpe kaum herumkommen. Generell kann man die Insulinzufuhr feiner dosieren und so im besten Fall vielleicht sogar vollständig auf Sport-KE und damit überflüssige Kalorien verzichten.
Seit Jahresanfang bringt Sport meine Werte wieder ins Lot
Das Argument „diskreter Bolus“ ist nicht wegzudiskutieren, ganz klar, darum beneide ich Menschen mit Insulinpumpe durchaus. Doch ansonsten hält sich bei mir persönlich der Optimierungsbedarf in Grenzen. Seit Jahresbeginn habe ich wieder damit begonnen, intensiver Sport zu treiben, was sich sehr positiv auf meine Glukosekurven und auf meine Insulinempfindlichkeit auswirkt. Mein Basalbedarf ist von 12 IE auf 8 IE pro Tag gesunken, mein Bolusfaktor zum Frühstück hat sich von 1,8 bis 2 IE/KE auf 1 bis 1,2 IE/KE verringert. Und je besser ich wieder im Training bin, umso weniger Sport-KE benötige ich auch bei intensiver Bewegung. Aktuell komme ich gut klar, wenn ich mit einem Ausgangswert von 160 mg/dl ins Training starte und während eines einstündigen Trainings ca. 1,5 bis 2 KE zu mir nehme. Was bei Traubenzucker in etwa 65 bis 84 kcal entspricht, die ich zusätzlich aufnehme. Das ist zu verschmerzen – und sicher eine Kalorienmenge, die auch viele Menschen mit Insulinpumpe für Sport „investieren“ müssen.
Alles in allem hat sich meine kurzzeitige Begeisterung für das Thema Insulinpumpe also wieder verflüchtigt. So lange nicht echte medizinische Argumente für eine Insulinpumpe sprechen, werde ich nicht zum Cyborg mit CGM und Insulinpumpe mutieren, sondern weiterhin einfach „Antje mit einem Knopf am Arm und einem Insulinpen in der Tasche“ sein.
Pingback: Insulinpumpen sind modern, Insulinpens sind vorsintflutliche Technologie. Was ist falsch an diesem Satz? | Süß, happy und fit
Pingback: Kinners, wie die Zeit vergeht! Das war mein (Diabetes-) Jahr 2018 | Süß, happy und fit
Pingback: Diabetes-Blog-Woche: Warum ich NICHT loope… | Süß, happy und fit
Pingback: Insulinpumpe oder CGM: Was bringt uns der Vergleich von Äpfeln und Birnen? | Süß, happy und fit
Pingback: Digitaler Insulinpen? Klingt erstmal gut. Warum der Pendiq 2.0 trotzdem keine Option für mich ist. | Süß, happy und fit
Pingback: T1Day: DIY-Closed Loop überzeugt Anwender eher als der Minimed 670G Hybrid Closed Loop | Süß, happy und fit
Pingback: Werbung und Produktplatzierung auf Diabetes-Blogs – was geht und was geht nicht? | Süß, happy und fit
28. Januar 2018 um 1:27
Liebe Antje, lass dir von einem mutierten „Cyborg mit CGM und Insulinpumpe“ der die „typischen Probleme mit einer Insulinpumpe“ kennt erzählen:
Dein Argument dass du mit deinem Basalinsulin super auskommst und dich offenbar durch die Boli mit Pen im Alltag unwesentlich beeinträchtigt fühlst, ist völlig ausreichend um dich gegen eine Pumpe zu entscheiden. Ich kann nachvollziehen dass häufiges Nachfragen aus dem Bekanntenkreis dich zum Schreiben dieses Artikels hingeleitet haben.
Aber an deine Leser ist der Hinweis gerichtet: sollte die Pumpe eine mögliche Option sein und Therapie oder Lebensqualität verbessern können, bitte nicht von den unzählig scheinenden Argumenten abschrecken lassen, sondern einfach mal probetragen. Die meisten Schwerpunktpraxen sollten das noch ermöglichen. Danach kann man immer noch für sich entscheiden, dass man keine Pumpe möchte, aber viele der Argumente lassen sich so einfach abschwächen, widerlegen oder entpuppen sich als total bekloppt. Und manche Probleme über die man beim ersten Tragen noch nachdenken muss, wie mit dem Demo-Pod, lösen sich mit etwas Übung in Luft auf.
Da ich zwar Cyborg, aber *noch* kein Brillenträger bin, könnte ich z.B. naiv eine deiner Fragen umformulieren:
Wohin mit der *Brille* beim Sport, beim Duschen, beim Schwimmen, beim Saunagang, beim Sex? Brauch ich für letzteres auch ein Sportrahmen? Ich behaupte mal du musst nicht ernsthaft darüber nachdenken. Genauso wenig, also 0 „viele Gedanken“, mache ich mir damit bezogen auf die Pumpe. 😉
Viele Grüße und weiterhin so tolle HbA1c-Werte!
LikeGefällt 1 Person
29. Januar 2018 um 13:46
Lieber Marcel, hab vielen Dank für deinen Kommentar! Du hast Recht, abschrecken sollten die diversen möglichen Probleme nicht, wenn es medizinisch Sinn macht, eine Pumpentherapie zu testen. Ich werde das bei Gelegenheit noch mal in einem weiteren Blogbeitrag aufgreifen… 🙂 LG Antje
LikeLike
21. Januar 2018 um 20:17
Hi Antje, bei deinen Argumenten gegen eine Pumpe habe ich mich gefragt, warum ich eine Pumpe habe?! Du hast Recht! Bei deiner Situation würde ich wahrscheinlich auch nicht wechseln. Glückwunsch, dass du alles so schön im Griff hast und du mit Sport alles regulieren kannst. Bei Leuten wie mich ist das leider nicht so! Ich liebe meine Pumpe und würde auch nicht mehr tauschen wollen. Die Schwangerschaft vor 28 Jahren hätte ich mit Spritzen nicht schaffen können. 150 Einheiten bei 6 BE! Mein Leben ist durch die Pumpe freier geworden. Mit dem Schlauch bin ich seit 34 Jahren vielleicht 2x hängen geblieben. 1984 waren die Pumpen einfacher, aber damit auch nicht so anfällig. Ich habe die Accucheck Combo, die leider angeblich in 4 Jahren eingestellt werden soll. Hier hatte ich nicht viele Störungen. Jeder soll einfach für sich entscheiden, so wie du es auch für dich gemacht hast. So soll es sein!
LikeLike
21. Januar 2018 um 20:40
Liebe Andrea, na klar, wenn sich der Diabetes nur mit einer Pumpe ordentlich einstellen lässt, dann ist das ganz sicher die beste Variante. Da würde ich mich dann auch nicht sperren. Wahrscheinlich war ich ein bisschen davon beeinflusst, dass viele um mich herum längst die xte Pumpe haben und alle sehr zufrieden sind und sie nicht mehr hergeben möchten. Möglicherweise ginge es mir sogar genauso, wenn ich es denn einmal probieren würde. Aber der Reiz (und die Notwendigkeit!) muss halt da sein. Und der ist bei mir nach einem kurzen euphorischen Moment eben ganz schnell wieder verflogen… Du wirst nach der Combo sicher eine andere tolle Pumpe finden, die dich im Alltag zuverlässig begleitet.
LikeLike