Auch als nur mäßig ambitionierte Freizeitsportlerin mit Diabetes bin ich in der International Diabetes Athletes Association (IDAA) gut aufgehoben bin. Von meiner Sorte gibt es in diesem Verein sogar noch einige mehr – und auch die „IDAA-Topathleten“ sind gar nicht so ehrfurchteinflößend wie zuerst gedacht, sondern einfach nette und lustige Diabetiker, wie ich bei der IDAA-Jahresmitgliederversammlung im Harz feststellen durfte.
Seit gut einem Jahr bin ich Mitglied in der IDAA, der International Diabetes Athletes Association. Ich hatte lange mit dem Beitritt gezögert, weil mit ein paar Besuche auf der Website des Vereins den Eindruck vermittelt hatten, dass sich dort in erster Linie wahnsinnig ambitionierte Topathleten tummeln, für die 10-Kilometer-Läufe und Volkstriathlons unter ihrer Würde sind. Denn auf der IDAA-Page findet man viele Erfahrungsberichte von Sport-Events wie der Challenge Roth (wohl der berühmteste Iron Man Triathlon Deutschlands), von 24- oder 72-Stunden-Läufen und diversen Radrennen mit Distanzen gefühlt nie unter 150 Kilometer.
Für Topleistungen fehlt es mir an Ehrgeiz und Talent
Ich fand diese Berichte zwar faszinierend, konnte mir aber nicht vorstellen, selbst Mitglied in diesem Verein zu werden. Schließlich bin ich sportlich nicht sonderlich ambitioniert, auch wenn ich mit Triathlon (aber nur die Sprintdistanz), Krafttraining, Tanzen und Bauchtanz regelmäßig in Bewegung bin. Es fehlen mir einfach der Ehrgeiz und sicherlich auch das sportliche Talent, mich an lange und sehr anstrengende Distanzen heranzuwagen, und bei Wettkämpfen rangiere ich immer auf den hinteren Rängen meiner Altersklasse. Das ist kein Grund mich zu schämen, doch ist die IDAA unter diesen Umständen der richtige Verein für mich?
Auch die Topathleten sind einfach nette und lustige Diabetiker
Inzwischen weiß ich aber, dass ich auch als Freizeitsportlerin mit Diabetes in der IDAA gut aufgehoben bin. Von meiner Sorte gibt es in diesem Verein sogar noch einige mehr – und auch die „ambitionierten Topathleten“ sind gar nicht so ehrfurchteinflößend wie zuerst gedacht, sondern einfach nette und lustige Diabetiker. Bei der IDAA-Jahresmitgliederversammlung am 10. Oktober 2015 im Harz durfte ich etliche von ihnen kennen lernen. Dort traten wir gemeinsam beim Harz-Gebirgslauf an – viele von uns bei der 11-km-Wandertour, andere beim 11-Kilometer-Lauf, etliche beim Halbmarathon und einige wenige auch beim Marathon.

Christoph und ich haben es geschafft: 11 Kilometer mit fiesen Steigungen in einer Zeit, über die wir den Mantel des Schweigens legen. Dafür (bei mir) mit super Blutzuckerwerten. Lieben Dank an Arndt Fiolka für das Foto!
IDAA-Haudegen gaben alte Geschichten zum besten
Außerdem feierten wir bei Kaffee und Kuchen (zwingend notwendig für den Muskelauffülleffekt nach dem Lauf!) das immerhin schon 25-jährige Jubiläum der IDAA. Einige der Teilnehmer waren tatsächlich „alte IDAA-Haudegen“ und schon von Anfang an dabei. Sie konnten abenteuerliche Geschichten aus längst vergangenen Jahrzehnten erzählen, die oft von Diabetologen handelten, die angesichts der sportlichen Ambitionen ihrer Patienten erschrocken die Hände über den Köpfen zusammenschlugen. Oder von festen Essenspläne mit absurd niedrigen BE-Rationen, an die sich natürlich keiner von ihnen halten mochte („Was haben wir gegessen! Und was haben wir gespritzt! Wir hatten so viele leere Insulinampullen, dass der Altglascontainer überquoll!“)

Erinnerungen an die IDAA-Gründungsradtour von Mainz nach Düsseldorf am 19. Mai 1990, danke an die IDAA-Vorsitzende Ulrike Thurm für das Foto!
Sportverbot war für viele Diabetiker schwer auszuhalten
In den 1980-er Jahren nämlich hieß es für frisch diagnostizierte Typ-1-Diabetiker nämlich in aller Regel „Finger weg vom Leistungssport“. Allenfalls ein ganz klein wenig moderate körperliche Bewegung war erlaubt – schließlich musste man den Blutzucker seinerzeit noch mit konventioneller Insulintherapie mit Mischinsulinen, zweimal täglich mit festgelegter Dosierung gespritzt, im Zaum halten. Für Diabetiker, die vor ihrer Diagnose sportlich aktiv gewesen waren, war eine solche Einschränkung nur schwer auszuhalten. In dieser Zeit gründete sich die IDAA als internationaler Verbund mit verschiedenen nationalen Ablegern, was schon einmal den langen englischen Namen des Vereins erklärt. Die deutsche Sektion ist übrigens die einzige, die bis heute erhalten geblieben ist. Erklärtes Ziel war und ist es, Typ-1-Diabetiker bei ihren sportlichen Zielen und ihrem Diabetesmanagement zu unterstützen. Und natürlich, gemeinsam bei Wettkämpfen anzutreten, sich zu vernetzen und auszutauschen. Auf der Homepage der IDAA finden sich hier in der Rubrik „Veranstaltungen“ etliche Sportwettkämpfe, an denen Mitglieder für den Verein teilnehmen und so nach außen hin zeigen können, dass Sport und Diabetes einander eben nicht ausschließen. Manchmal ergibt sich rund um das Sport-Event auch ein Treffen der IDAA-Teilnehmer, bei dem dann nicht nur über die sportlichen Zeiten, sondern auch über BZ-Verläufe und Basalratenabsenkung, den Verbrauch von Sport-KE oder unerklärliche Sensor-Alarmmeldungen beratschlagt wird. Themen also, über die man in anderen Sportvereinen nur schwer mit anderen Sportlern ins Gespräch kommt.
Verleihung des IDAA-Jugendpreises an drei Athletinnen und Athleten
Anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums hat die IDAA außerdem einen Jugendpreis ins Leben gerufen, der ab jetzt jährlich vergeben wird. Damit will der Verein junge Typ-1-Diabetiker finanziell dabei unterstützen, ihre sportlichen Ziele weiter zu verfolgen. Der mit 1.000 Euro dotierte erste Preis wurde in diesem Jahr an Felix Petermann (22) vergeben, der seit frühester Jugend aktiv Fußball spielt, sich bereits im Camp D für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes engagiert hat und derzeit ein Studium in den USA absolviert. Natürlich spielt er auch dort Fußball und hat als Torwart dort bereits etliche Auszeichnungen eingeheimst. Sein Preisgeld möchte er für die Studiengebühren in den USA verwenden. Der mit 300 Euro dotierte zweite Preis ging an die zehnjährige Annalena Bergener, Typ-1-Diabetikerin seit 2012. Sie schwimmt gern, nimmt an Volksläufen teil, tanzt als Funkenmariechen im Karnevalsverein und fährt Inline-Skates sowie Fahrrad. Von ihrem Preisgeld möchte sie sich ein neues Fahrrad kaufen, da ihr derzeitiges Modell langsam zu klein für sie ist. Last but not least ging der mit 200 Euro dotierte dritte Preis an Kathi Schudmann (26), die manchen auch als Bloggerin und Autorin der Blood Sugar Lounge ein Begriff ist. Bei ihr wurde im Alter von drei Jahren Typ-1-Diabetes diagnostiziert, was sie aber nicht davon abhielt, mit vier Jahren Skifahren zu lernen, später rhythmische Sportgymnastik, Reiten und Schwimmen auszuprobieren und schließlich beim Laufen (ganz aktuelle Marathon-Bestzeit von 3:37 Stunden!) und mittlerweile auch beim Triathlon zu landen. Kathi hält ihre Glukosewerte beim Sport mit einem CGM-System im Zaum und möchte von dem Preisgeld CGM-Sensoren kaufen.
IDAA will jüngere, sportinteressierte Diabetiker erreichen
Auch 2016 wird es wieder einen IDAA-Jugendpreis geben – die Ausschreibung wird beizeiten auf der Homepage des Vereins veröffentlicht. Und wenn ihr euch nun fragt, warum ihr bislang noch nie auf die IDAA aufmerksam geworden seid, dann habe ich ebenfalls eine Antwort für euch: Bis dato ist die IDAA kommunikationstechnisch eher „Old School“ unterwegs. Es gibt neben der Homepage eigentlich keine weiteren Kanäle, über die man sich informieren kann. Doch der IDAA-Vorstand ist sich dessen bewusst, dass man sich vielleicht doch ein wenig in die Blogger-Szene und in die sozialen Medien vorwagen sollte, um in Zukunft auch jüngere, sportinteressierte Typ-1-Diabetiker zu erreichen und von einer Mitgliedschaft in diesem besonderen Sportverein zu überzeugen. Ich persönlich fände das schön – denn auch mich erreicht man leichter mit Blogposts oder Neuigkeiten in meiner Facebook-Timeline als über eine Bekanntmachung auf einer Internetseite, die ich selbst aktiv ansteuern muss. Und so habe ich mich spontan bereiterklärt, zusammen mit ein paar anderen Aktiven Ideen für eine solche „Verjüngungskur“ zu entwickeln.