Da dachte ich über eine geraume Zeit, dass ich die Spielregeln der gesetzlichen Krankenkassen, nach denen sie die Kosten bestimmter Hilfsmittel wie des Freestyle Libre erstatten oder eben auch nicht, verstanden habe. Seit heute weiß ich: In diesem Business geht es zu wie auf einem orientalischen Basar.
Wer sich in letzter Zeit in den verschiedenen Facebook-Gruppen zum Freestyle Libre herumgetrieben hat, der kapiert so langsam gar nicht mehr, nach welchen Kriterien einzelne Krankenkassen die Kosten für das Freestyle Libre erstatten oder eben nicht. Die Techniker Krankenkasse (TK), bei der auch ich versichert bin, war ja Anfang 2015 vorgeprescht und hatte allen Versicherten mit Typ-1-Diabetes (sofern sie denn als Bestandskunden bei Abbott registriert waren und dieses tolle Angebot auch nutzen konnten) die Erstattung eines Großteils der Kosten angeboten.
TK machte als eine der ersten Kassen einen Rückzieher
Die TK war dann aber auch eine der ersten Kassen, die nach Bekanntwerden der Urteilsbegründung zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. Juli 2015 einen Rückzieher machte und neuen Antragstellern die Kostenübernahme verweigerte. Für mich persönlich ist das erste Jahr, für das mir die TK die Kostenübernahme zugesagt hatte bald um. Unter dem letzten Schreiben zur Bescheinigung der Kostenerstattung der TK fand ich den Hinweis: „Ein wichtiger Hinweis für Sie: Wegen des Grundsatzurteils des Bundessozialgerichts vom 8. Juli 2015 (Aktenzeichen B3 KR 5/14 R) ist es der TK als gesetzliche Krankenkasse nicht mehr erlaubt, Kosten für das Freestyle Libre zu übernehmen.“
Daumen hoch oder Daumen runter? Das entscheidet das BVA
Vor einer Weile las ich bei Facebook den Post einer Anwenderin, in dem es hieß: „Habe gerade mit der DAK telefoniert… Die nette Dame meinte, dass sie heute ein Schreiben vom Bundesversicherungsamt bekommen habe, sie hat es mir auch vorgelesen, die DAK darf das Libre nicht mehr genehmigen. Auch für die Diabetiker, die es bereits haben, gibt es keine weitere Genehmigung. Weiterhin meinte sie, dass das Schreiben wohl für alle Krankenkassen bindend sei.“ Das machte mich natürlich neugierig, und ich wandte mich an die Pressestelle des Bundesversicherungsamts. Ich erkundigte mich nach dem besagten Rundschreiben an die gesetzlichen Krankenkassen. Heute nun kam die Antwort:
„Sehr geehrte Frau Thiel,
zu dem von Ihnen angesprochenen Thema gibt es kein Rundschreiben oder andere veröffentlichte Korrespondenz des Bundesversicherungsamtes. Zum aktuellen Sachverstand kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Das Bundessozialgericht hat am 8. Juli 2015 entschieden, dass es sich beim Glukosemesssystem „Freestyle Libre“ um ein Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Behandlungs- und Untersuchungsmethode handelt. Dieses fällt erst dann in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, wenn zu der neuen Behandlungs- und Untersuchungsmethode eine positive Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliegt. Da ein solcher Beschluss bisher noch nicht vorliegt, können die gesetzlichen Krankenkassen das Messsystem nicht mehr – wie bisher von einigen Kassen praktiziert – im Rahmen eines sog. Selektivvertrages erstatten. Allerdings prüfen derzeit einzelne Krankenkassen in Abstimmung mit dem Bundesversicherungsamt, ob es möglich ist, bis zu einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses die Kosten des Messsystems auf satzungsrechtlicher Grundlage außerhalb der Regelversorgung zu erstatten.“
Beinahe gleichzeitig erreichte mich heute eine Pressemitteilung der DAK, wonach die DAK ab sofort die Kosten für das Freestyle Libre bei Kindern mit Typ-1-Diabetes erstattet. Seit kurzem ist das Messsystem ja auch für Kinder ab vier Jahren zugelassen. Doch auch für Kinder gilt doch eigentlich nach der Logik des Systems, dass zunächst die Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abgeschlossen sein muss, bevor ein Produkt in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen wird. Ja was denn nun?
Die DAK hat offenbar erfolgreicher verhandelt als andere Kassen
Des Rätsels Lösung: Offenbar ist die DAK eine dieser vom BVA zitierten Kassen, die in Abstimmung mit dem BVA geprüft haben, wie es weitergehen kann. Und die offenbar erfolgreicher als andere verhandelt hat, wie mir gerade eben der DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf am Telefon bestätigte: „Wir haben mit dem BVA geklärt, dass diejenigen Erwachsenen, die über die DAK in das Programm eingeschrieben sind, weiterhin mit dem Freestyle Libre versorgt werden. Niemand muss also sein Gerät wieder abgeben. Nur neue Erwachsene werden derzeit nicht mehr in die Kostenerstattung aufgenommen.“ Er betonte, dass die DAK aber weiterhin von der Methode überzeugt ist. „Unser Vorstand hat deshalb heute im Gespräch mit dem BVA geklärt, dass die DAK bei Kindern mit Typ-1-Diabetes die Kosten für das Freestyle Libre übernehmen darf.“ Offiziell müsse zwar noch der Verwaltungsrat zustimmen, der im März das nächste Mal tagt. Doch bereits heute könne man sagen, dass die Neuregelung rückwirkend ab 1. Januar 2016 gilt. Konkret heißt das, dass alle DAK-versicherten Kinder mit Typ-1-Diabetes bzw. deren Eltern nun ihre Rechnungen für das Freestyle Libre bei der DAK einreichen und die Kosten erstattet bekommen können. „Über irgendwelche Restriktionen ist mir hier nichts bekannt, das dürfen Sie auch gern so zitieren“, sagte der Pressesprecher.
Fazit: Für DAK-versicherte Kinder mit Typ-1-Diabetes dürften die Kosten für das Freestlye Libre ab sofort ausnahmslos übernommen werden. Erwachsene Typ-1-Diabetiker, die bislang von der DAK mit Sensoren versorgt wurden, bleiben auch weiterhin im Programm. Es lohnt sich für Erwachsene allerdings nicht, wegen des Freestyle Libre in die DAK zu wechseln, da neue Anträge auf Kostenerstattung derzeit negativ beschieden werden.
2. März 2016 um 18:09
Vermutlich ist die Techniker da nicht ganz ehrlich, um es vorsichtig zu formulieren. VERBOTEN wurde der TK nämlich nicht etwa das Libre im RAhmen einer Einzelfallentscheidung zu genehmigen (genau so hätten sie es tun sollen), sondern das VERFAHREN, die versicherten in Vorleistung zu schicken und hinterher 75% zu übernehmen. So dürfen das gesetzliche Kassen eigentlich grundsätzlich nicht machen.
Die Kassen, die das Libre jetzt (noch) übernehmen, machen das immer im Einzelfall (manchmal mit Einschaltung des MDK, manchmal ohne) und per Vertrag mit Abbott!
Just my 0.2 percent.
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1. März 2016 um 14:00
Hallo Antje,
vielen Dank für die Informationen. Ich bin auch bei der TK versichert und das Jahr ist um.
Mich wundert, dass sich die TK auf dieses Urteil stützt, zumal ich das daraus nicht erkennen kann.
Das sieht schon sehr behördenhaft von der TK aus, das sie sich auf dieses Urteil beziehen.
(obwohl der Vorstandsvorsitzende 2014 noch sagte, dass das nicht so ist)
Schade, das die Krankenkassen sich nicht Kundenfreundlich verhalten.
Da sich Diabetiker 365Tage/ 72 Stunden sich um ihren Blutzucker kümmern müssen
wäre es schön, wenn man auch ein passendes Messgerät hätte.
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24. Februar 2016 um 18:57
Danke für die sachlichen und korrekten Informationen!
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