Es war mittlerweile mein vierter Triathlon in Hamburg, den ich da vor gut zwei Wochen bestritten habe. Ich hatte nicht wirklich toll trainiert und mir deshalb gar keine großen Ziele gesteckt. Vielleicht war das genau der Grund dafür, dass ich mit viel Spaß und mit einem „schönen Flow“ auf der Sprintdistanz unterwegs war?
„Ich weiß, wie es geht. Ich weiß, dass ich es kann. Nur machen ist noch krasser als wissen. Go!“ Damit motivierte ich mich am Morgen des 16. Juli 2016, kurz bevor ich mich aufmachte, mein Fahrrad und meine gesammelten Utensilien in die Wechselzone am Hamburger Ballindamm einzuchecken. Ich sollte um 11:48 Uhr starten – eine ziemlich humane Zeit, wenn man also Diabetiker vorher gern noch frühstücken und sichergehen möchte, dass das Bolusinsulin zumindest seinen Peak hinter sich hat. Klar war ich ein bisschen aufgeregt. Aber was soll ich sagen, da es sich schon um meinen vierten Triathlon in der Sprintdistanz handelte und ich dank meines pragmatischen Naturells keine allzu hochgestochenen Pläne hegte, überwog die Gelassenheit.
Die große Kunst des Wechselzonenmanagements…
Nach meiner organisatorischen Panne im vergangenen Jahr (erst auf der Autobahn kurz vor Hamburg bemerkt, dass ich weder Transponder, noch Badekappe eingepackt hatte… also umgedreht und schnell die fehlenden Sachen geholt, dabei schier irre geworden… ) hatte ich meine Sachen ordentlich und bedacht gepackt. Alles war an seinem Platz: Diabetestäschchen mit Insulin und Freestyle Libre Lesegerät in der Wechselzone, dazu ausreichend Traubenzucker, langärmelige Jacke zum Radfahren (es war ein klein wenig kühl), kleines Handtuch, Socken, Laufschuhe, Sonnenbrille, Radhelm, außerdem zwei Trinkflaschen: eine mit klarem Wasser, eine mit Apfelschorle und mit „2KE“ beschriftet – all das packte ich in die gelbe Postbox in der Wechselzone, bevor ich mich zum Start an den Jungfernstieg begab.
Erst nach dem Tunnel überholten mich die Schwimmer des nächsten Blocks
Kurz vor dem Schwimmstart konnte ich meinen Glukosewert zwar nicht mehr scannen, aber mein Mann hatte ein kleines Diabetestäschchen mit Blutzuckermessgerät bei sich, damit konnte ich also auf den letzten Metern noch einmal testen. Um 11:20 lag mein Zucker bei 135 mg/dl, damit wäre ich ruhigen Gewissens gestartet. Bis 11:31 sank er allerdings auf 117 mg/dl, so dass ich vorsichtshalber noch zwei Plättchen Traubenzucker einwarf und bei der Verpflegungsstation am Eingang zum Schwimmstart lieber zu einem gelben Getränk griff, das mir die Helferin als „Sportlergetränk“ überreichte. Ich vermutete Zucker darin und griff zu – denn 500 Meter Schwimmen im Freiwasser können ganz schön Energie ziehen. Tatsächlich klappte das Schwimmen ziemlich gut – und weil ich erst nach dem Tunnel, kurz vor dem Schwimmausstieg am Rathausmarkt von den ersten Schwimmern des nächsten Blocks überholt wurde, kam ich mir auch ziemlich schnell vor. In den Vorjahren hatten mich die ersten des 8 Minuten später gestarteten Blocks immer schon zu Beginn des Tunnels eingeholt. War ich etwa kurz davor, meine Bestzeit zu erzielen? Ich begann im Geiste schon einmal, die einleitenden Worte für mein Ratgeberbuch „Triathlon-Bestzeiten ganz ohne Training – das rät Antje Thiel“ zu formulieren. Letztlich brauchte ich zwar mit 16:38 Minuten ungefähr eine Minute länger als 2015. Hoppla, dann waren wohl einfach die Starter nach mir langsamer als die im vergangenen Jahr? Egal, der Euphorie tat das keinen Abbruch – ich fühlte mich gut.
Unfreiwillige Choreographie mit dünner Jacke über nassen Armen
Beim Schwimmausstieg war ich dieses Mal darauf vorbereitet, dass an der Treppe neben dem etwas glitschigen blauen Teppich ein Fotograf mit Blitzlicht hockt. Ich geriet also nicht ins Stolpern wie im vergangenen Jahr, als ich mir einen Zeh prellte, der während der gesamten Radstrecke schmerzte und meinen Schweinehund in Höchstform auflaufen ließ: Solltest du nicht besser den Wettkampf abbrechen, wo du dir doch offensichtlich den Zeh gebrochen hast? Nichts dergleichen in 2016, ich trabte locker über den blauen Teppich in die Wechselzone und winkte hinter der Absperrung Freunden zu. An meinem Fahrrad angekommen, hatte ich lediglich ein bisschen mit meiner langärmeligen Jacke zu kämpfen, die nur sehr unwillig über meine nassen Arme gleiten wollte. Beinahe hätte ich auch vergessen, meine Sonnenbrille aufzusetzen – zum Glück standen gleich drei Supporter hinter dem Zaun und gaben mir Regieanweisungen. Immerhin: Daran, meinen Zucker mit dem Libre-Lesegerät zu scannen und mir das Lesegerät in die Jackentasche zu stecken, dachte ich von ganz allein. Mein Zuckerwert lag bei 170 mg/dl – ganz so viel Energie hatte ich beim Schwimmen also nicht verbraucht. Dennoch entschloss ich mich, für unterwegs lieber die Apfelschorle statt des Leitungswassers mitzunehmen.
Mist, hätte ich doch lieber Wasser statt Apfelschorle mitgenommen!
Schorle in den Flaschenhalter gepackt, Fahrrad aus der Halterung gehoben und wieder losgetrabt – auf ging es Richtung Hafen und Elbe! Anders als 2015, führte uns die Strecke dieses Mal nicht über die Reeperbahn (dort startete am Nachmittag nämlich der Schlagermove), sondern über die Hafenstraße, immer an der Elbe entlang. Ich stellte leider bald fest, dass es wohl besser gewesen wäre, statt der Schorle doch das Leitungswasser als Trinkproviant mitzunehmen. Denn nach ein paar durstigen Schlucken aus der Pulle war mein Zuckerwert auf 220 mg/dl geklettert und wollte auch erst einmal nicht sinken, Bewegung hin oder her. Tja, hinterher ist man immer schlauer… Ich beschloss also, erst in der Wechselzone wieder zu trinken – eine Strecke von 22 Kilometern auf dem Rad kann man bei nicht allzu sommerlichem Wetter auch gut mal ohne zu trinken überstehen. Dafür fiel mir die Radstrecke ziemlich leicht – auch an den Steigungen (jawohl, in Hamburg kann man durchaus ein paar Höhenmeter machen!), die ich bislang immer so schlimm in Erinnerung hatte.

Am Wendepunkt in Teufelsbrück saß also auch ein Streckenfotograf…
5 Kilometer langsam, aber konstant und mit Freude durchgelaufen
Als ich gegen 13:10 Uhr von der Radstrecke erneut in die Wechselzone einbog, waren meine Beine zwar ein bisschen müde, aber sie trabten trotzdem brav, und der Schweinehund hielt auch seine große Klappe. Mein Zuckerwert lag immer noch bei 203 mg/dl, also verzichtete ich auf Traubenzucker oder sonstiges Glukosedoping, sondern hängte einfach nur mein Fahrrad in die Halterung, trank einen Schluck Wasser, warf Fahrradjacke und –helm in die Wechselbox und lief weiter. Es gelang mir, die 5 Kilometer in einem Rutsch durchzulaufen, ohne Gehpausen einzulegen. Ich lief zwar langsam, aber konstant und freute mich daran. Gemütlich und stressfrei, ich machte einfach nur mein Ding. Und da ich die Strecke mittlerweile ja ziemlich gut kenne, wusste ich auch genau, an welcher Stelle sich bei mir das Gefühl einstellt „jetzt ist es fast geschafft, nun kann nichts mehr passieren, ab jetzt hat auch der Schweinehund keine Chance mehr auf irgendeine Intervention“ (wenn man von der Binnenalster hochläuft und nach links in den Neuen Jungfernstieg einbiegt, wo das Strecken-Halligalli so richtig losgeht).
Schlusssprint über den Rathausmarkt: Auf den letzten Metern einmal Vollgas
Mein Zuckerwert war mittlerweile auf halbwegs akzeptable 183 mg/dl gesunken. Körper gestrafft, auf die Haltung geachtet, federnde Schritte – man will ja schließlich gut aussehen, wenn so viele Zuschauer am Rand stehen. J Große Bleichen, Poststraße, von dort aus konnte ich schon den blauen Teppich des Zieleinlaufs sehen. Noch einen Zahn zugelegt, und dann zum Schlusssprint auf dem Rathausmarkt angesetzt. Dabei überholte ich einen anderen Triathleten und hörte ihn im Vorbeirauschen sagen: „Boah, die gibt ja nochmal richtig Gas!“ Tja, kannste mal sehen. Ich bin zwar insgesamt nicht schnell, aber auf den letzten Metern gehe ich wirklich immer ab wie Schmidts Katze, allein wegen der coolen Fotos vom Schlusssprint. Im Ziel angekommen, hämmerte meine Pumpe und mein Zuckerwert lag bei 162 mg/dl. Ich hatte für die 500 Meter Schwimmen, 22 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Laufen inklusive Wechselzeiten insgesamt 1:54:13 Stunden gebraucht. Gar nicht so übel dafür, dass ich im Vorfeld nicht wirklich konsequent und regelmäßig trainiert hatte. Vor allem aber war ich während des gesamten Wettkampfs happy und mit Spaß an der Strecke unterwegs, ein richtig schöner Flow. Meinetwegen ein langsamer Flow, aber besser als hektisches Gehechel, geprellte Zehen, Schweinehundattacken und Gehpausen. Als nächstes steht nun Ende August der Elbe-Triathlon an. Mal schauen, ob es bis dahin mit dem Training besser klappt. Falls nicht, setze ich halt einfach wieder auf Flow statt Bestzeit.
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