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Spritz-Ess-Abstand adieu? Wie schnell ist das Turboinsulin Fiasp wirklich?

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Seit das neue Insulin Fiasp auf dem Markt ist, stolpert man in den sozialen Netzwerken häufig über Bilder und Beiträge von Anwendern, die umgestiegen sind und sich aber noch nicht so sicher sind, wie schnell die Wirkung einsetzt und wie lange sie anhält. Beim Diabetes-Kongress der DDG informierte ich mich über das Wirkprofil des neuen Turboinsulins.

Seit einiger Zeit ist das neue Insulin Fiasp der Firma Novo Nordisk auf dem Markt. Fiasp steht für „Faster Insulin Aspart“ und ist im Grunde nichts anderes als das bekannte Novo-Insulin NovoRapid (Insulin Aspart), das allerdings mit dem Zusatzstoff Nicinamid versehen wurde, welcher den Wirkeintritt beschleunigen soll. Als Stabilisator wird die natürlich vorkommende Aminosäure L-Arginin zugesetzt. In einer vom Hersteller Novo Nordisk unterstützten Sitzung beim Diabetes-Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im Mai 2017 in Hamburg präsentierten die Experten wissenschaftliche Daten zum Wirkprofil.

new-fast-acting-insulin-fiaspDer Turbo unter den Insulinen: das neue Insulin Fiasp

Immer mehr Typ-1-Diabetiker testen das neue Fiasp und berichten darüber

Ich fand die Sitzung insbesondere deshalb interessant, weil ich in letzter Zeit auf Blogs*, Facebook und Instagram häufig Bilder und Posts zu diesem Thema gesehen hatte: Scheinbar erobert Fiasp gerade die Herzen vieler Typ-1-Diabetiker. Allerdings waren diese Posts häufig verbunden mit Fragen wie: „Ich weiß noch nicht, wie ich meine Insulinpumpe umprogrammieren muss, wie lange wirkt Fiasp denn eigentlich?“ Vielleicht können meine Erkenntnisse aus der Sitzung beim DDG-Kongress ja einige dieser Fragen beantworten.

Meist steigt der Glukosewert, bevor das Insulin seine Wirkung entfaltet

Zunächst einmal zielte die Entwicklung eines neuen, noch schnelleren Insulins vorrangig darauf ab, insulinpflichtigen Diabetikern unnötig hohe Blutzuckerspitzen nach dem Essen zu ersparen. Denn wie wir alle wissen, braucht Insulin nach dem Spritzen ins Unterhautfettgewebe – ob nun per Insulinpen oder Insulinpumpe – immer eine ganze Weile, bis es ins Blut gelangt und damit den Blutzuckerspiegel effektiv senken kann. Bis es dort seine Wirkung entfalten kann, ist oft schon ein Großteil der in der Nahrung enthaltenen Glukose im Blut angelangt und treibt den Zuckerspiegel in die Höhe. Das wiederum ist nicht gut für die Gefäße und sollte deshalb vermieden werden.

Beim Frühstück klappt es gut mit meinem SEA, danach weniger gut

In Schulungen lernen wir Diabetiker deshalb, dass wir nach Möglichkeit einen Spritz-Ess-Abstand (SEA) einhalten sollten, damit das Insulin eine Chance hat, rechtzeitig im Blut anzugelangen. Mir persönlich gelingt das beim Frühstück – wo ich den SEA auch am dringendsten brauche – noch ganz gut. Denn morgens steht bei uns zuerst mein Mann auf und bereitet das gemeinsame Frühstück vor, während ich noch einen Moment liegenbleiben, Glukose messen, Insulin spritzen und die aktuelle Nachrichtenlage auf Facebook studieren kann. Bis ich mich aus den Laken geschält und an den Frühstückstisch gesetzt habe, vergehen also gern 25 bis 30 Minuten – für mich zum Frühstück der perfekte SEA, trotz des schnellen Analoginsulins Liprolog, und trotz Aufteilung der Dosis auf zwei Spritzstellen. Bei anderen Mahlzeiten ist es hingegen nicht so einfach, einen SEA einzuhalten. Besonders schwierig ist es, wenn ich unterwegs bin und auf die Schnelle etwas essen möchte, oder wenn ich im Restaurant esse und nicht genau weiß, wie lange die Küche wohl mit meiner Bestellung braucht. Ein Insulin ohne (oder mit deutlich kürzerem) SEA klingt für mich also durchaus verlockend.

Pharmakokinetik: Wie schnell ist der Wirkstoff im Blut messbar?

Entsprechend aufmerksam lauschte ich dem Vortrag von Dr. Tim Heise, der am Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss forscht. Er berichtete über die Pharmakokinetik von Fiasp, sprich: die Einflüsse, denen ein Wirkstoff im Körper unterliegt – wie lange es also dauert, bis messbare Konzentrationen des Wirkstoffs im Blut vorliegen und wie lange die Wirkung anhält. „Bei Insulin Aspart dauert es neun Minuten, bis man im Blut ein messbares Insulinlevel erreicht“, erklärte Dr. Heise, „bei Fiasp sind es nur vier Minuten.“ Fünf Minuten klingen nun nicht nach einem bahnbrechenden Unterschied, doch entscheidender ist eine zweite Beobachtung: „In den ersten 30 Minuten der Wirkdauer entfaltet Fiasp 50 Prozent mehr Wirkung als reguläres Insulin Aspart“, erklärte der Experte.

Den gewohnten SEA um 10 bis 14 Minuten verkürzen?

Daraus folgt eine „einfache Linksverschiebung des Aspart-Profils um zehn bis 14 Minuten“, wie es im Forscher-Jargon ausgedrückt wird, und damit ist das neue Insulin „näher am physiologischen Insulinprofil“. Für den Anwender bedeutet das im Klartext, dass er bei Fiasp den gewohnten SEA um zehn bis 14 Minuten verkürzen kann – was für die meisten von uns wohl darauf hinausläuft, dass wir gar keinen SEA mehr einhalten. Dabei ist wichtig zu wissen, dass Fiasp nicht kürzer wirkt als NovoRapid, sondern dass seine Wirkung lediglich früher einsetzt (Stichwort: „Linksverschiebung“, siehe Grafik).

Fiasp-frühe-Insulinexposition-

Linksverschiebung des Wirkprofils von Fiasp gegenüber Insulin Aspart
(Quelle: Novo Nordisk)

In der Insulinpumpe wirkt Fiasp noch ein bisschen schneller

Allerdings habe ich nun von etlichen Anwendern schon Berichte gelesen, die das Wirkfenster von Fiasp im Vergleich zu NovoRapid kürzer ansetzen. Auch für dieses Phänomen gab es bei der DDG-Sitzung eine mögliche Erklärung – zumindest was die Pumpentherapie angeht. Grund dafür könnte die unterschiedliche Funktionsweise von Insulinpens und Insulinpumpen sein. Ein Insulinpen gibt die komplette Insulindosis in einem Rutsch ab. „Bei der Injektion mit einem Pen wird das zugesetzte Niacinamid also schnell abgebaut und wirkt nicht mehr nach“, erklärte Dr. Heise. Eine Insulinpumpe hingegen kann je nach Dosis ein paar Minuten brauchen, bis sie den kompletten Bolus abgegeben hat. Außerdem gibt sie unabhängig vom Bolus kontinuierlich Basalinsulin ab, sodass immer Niacinamid im Unterhautfettgewebe vorhanden ist, welches die Insulinwirkung im Unterhautfettgewebe beschleunigt – und was schnell seine Wirkung entfaltet, ist auch schneller wieder abgebaut. Für Pumpenanwender bedeutet das 100 Prozent mehr Wirkung des Insulins in den ersten 30 Minuten nach Bolusabgabe und eine 24 Minuten kürzere Gesamtwirkdauer.

Für das Problem der Blutzuckerspitzen nach dem Essen ist Fiasp daher ein echter Hoffnungsträger. Studien haben gezeigt, dass die Glukosewerte mit Fiasp eine Stunde nach dem Essen ebenso wie zwei Stunden nach dem Essen im Vergleich zu NovoRapid deutlich niedriger waren. Das Insulin wurde separat an Typ-1-Diabetikern (Onset1-Studie) und an Typ-2-Diabetikern (Onset2-Studie) getestet und half beiden Gruppen, die Blutzuckerspitzen nach dem Essen in Schach zu halten, ohne dass es zu mehr Hypos gekommen wäre.

Habt ihr das neue Fiasp schon ausprobiert? Wie sind eure Erfahrungen? Stimmen sie mit den Studienergebnissen zum Wirkprofil überein? Ich muss ja gestehen, dass es mich auch reizt, Fiasp einmal auszuprobieren. Mitte August habe ich meinen nächsten Termin beim Diadoc und werde ihn vielleicht mal drauf ansprechen…

* Ilka von mein-diabetes-blog hat hier über ihre Erfahrungen mit dem neuen Insulin geschrieben. Bei Lisa von Lisabetes findet man hier einen Beitrag zu Fiasp. Auch Ramona von Flugzucker hat Fiasp getestet und hier darüber geschrieben. Christian von DiaCoach hat hier ebenfalls einen Erfahrungsbericht verfasst. Den Beitrag von Lea (Insulea) findet ihr hier. Und Steff von diabetes-leben.com hat hier berichtet. Habe ich einen Blogbeitrag übersehen? Schickt mir gern den Link, ich bin neugierig auf weitere Beiträge und verlinke natürlich auch gern.

 

7 Kommentare zu “Spritz-Ess-Abstand adieu? Wie schnell ist das Turboinsulin Fiasp wirklich?

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  3. Ich habe jetzt 5 x 10ml Fiasp hinter mir, d.h. ca. 90 Tage Erfahrung. Zuvor war es jahrelang Novorapid. Ich nutze den Omnipod und habe nach Abstimmung mit dem Doc lediglich die Wirksamer des Insulins in der Pumpen-Steuerung von 3h auf 2,5h gesenkt.
    Zusammengefasst: Ich bin enttäuscht.
    Eine schnellere Wirkung trat Mal ein und Mal nicht; überwiegend aber nicht. In 9 von 10 Fällen war ich mit meinem alten SEA von 15-20 Min gut beraten. Allerdings brauche ich bei Fiasp 25% mehr Bolus als beim Novorapid. In Verbindung mit Sport zeigte Fiasp oftmals überraschende Effekte.
    Zu guter Letzt: Ab und zu verspürte ich ein Brennen, wenn der Omnipod den Bolus Abgabe. Das kannte ich vom Novorapid gar nicht.
    Ich war seit dem Wechsel von Novo zu Fiasp noch nicht wieder beim Doc, kenne also meinen HbA1-Wert unter Fiasp noch nicht.

    Fazit: Ich gehe zu Novorapid zurück.

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  4. Vielen Dank für den Artikel und eure Erfahrungen! Da kann ich mal wieder meinen Diadoc im August mit neuen Fragen überfallen, „freiwillig“ gibt er keine neuen Info`s weiter 😉

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  5. Fiasp wirkt mM sehr individuell, i.d.R. steigt die Insulindosis sehr, bis zu 40%, kann aber nach ein paar Wochen etwas zurückgehen. SEA wird minimiert, der BZ Verlauf ist erstmal pp flacher, aber nach 2 h geht die BZ Rakete ab, man muss seine Therapie also anpassen, um den späteren Anstieg abzufangen. Meine Erfahrung in der Pumpe ist, das Insulin ist weniger stabil als z.B. Humalog, wenn es mehrere Tage im Reservoir ist. Ich habe ja einen OpenAPS Closed Loop, hier muss der Algorithmus noch verändert werden, da Fiasp ein völlig anderes Wirkprofil hat, aber ich „fahre“ insbesondere morgens in einer Kombi, d.h. 50% vom Bolus läuft über den Closed Loop und 50% gebe ich per Spritze oder Pen mit Fiasp, Vorteil (bei mir) ist SEA geht von 25 min auf 0-5 min und der weitere Verlauf ist schön flach (der Closed Loop regelt mit Humalog). Also Leute probiert es aus, aber Novo verspricht viel in ihrer Werbung, ganz so einfach ist es nicht, viele Grüße Matthias

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  6. Toller Artikel und Danke fürs Verlinken 🙂

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  7. Toller Artikel, sehr ausführlich. Danke dafür.

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