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Die BamS berichtet über Typ-1-Diabetes – doch das Thema Diskriminierung fällt leider unter den Tisch

2 Kommentare

Heute hat mein Mann Christoph zum ersten Mal in seinem Leben, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen um nicht dabei erkannt zu werden, eine „Bild am Sonntag“ (BamS) gekauft. Der Grund: Darin sollte heute ein Artikel mit dem Thema „Diskriminierung bei Diabetes“ erscheinen, für den ich der Redaktion um ein paar Ecken auch eine Familie vermittelt hatte, die ich für mein Buch interviewt hatte. Blöd nur, dass die BamS kurzfristig umdisponiert hat.

Das Ganze war so abgelaufen: Vor ein paar Wochen, ich hatte gerade mein Buchmanuskript beim Kirchheim-Verlag abgegeben, klingelte bei mir das Telefon und Dr. Jens Kröger war dran. Er ist Diabetologe und Vorstandsvorsitzender von DiabetesDE, und er hat mein Buch (zusammen mit Prof. Bernhard Kulzer vom Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim) als Experte begleitet und unterstützt. Dr. Kröger hatte eine Anfrage von einer Redakteurin der BamS erhalten, die „irgendwas Aktuelles“ zum Weltdiabetestag bringen wollte, der am 14. November ansteht. 

Dr. Kröger legte der Redakteurin ans Herz, doch einmal etwas über die besondere Belastung der Angehörigen von Menschen mit Diabetes zu bringen. Und wies sie (zu meiner großen Freude) beiläufig darauf hin, dass zu diesem Thema demnächst ein großartiges Buch erscheinen wird, in dem viele unterschiedliche Familien und Paare portraitiert werden, von denen einige leider im Alltag mit ziemlich heftiger Diskriminierung zu kämpfen haben. Die Redakteurin war sofort interessiert und bat ihn um Fallbeispiele. Dr. Kröger vermittelte ihr eine Familie, die ich für mein Buch interviewt hatte. Ich wiederum stellte den Kontakt zu Jamilah her, die ebenfalls mit einem Portrait in meinem Buch vorkommt und gleich bereit war, ihre Geschichte auch den Leserinnen und Lesern der BamS zu erzählen.

Mit der Diagnose Typ-1-Diabetes flattert die Kündigung durch den Hort ins Haus

Jamilah ist eine alleinerziehende Mutter, deren Tochter Milena 2008 im Alter von 7 Jahren die Diagnose Typ-1-Diabetes erhielt und deshalb ihren Platz im Hort verlor. Die Erzieherinnen weigerten sich schlicht, die Verantwortung für Milenas Typ-1-Diabetes zu übernehmen, wollten aber auch keinen Pflegedienst akzeptieren, der für die erforderliche Betreuung in den Hort kommt. Deshalb kündigte die Einrichtung ihr unmittelbar nach der Diabetes-Diagnose den Betreuungsvertrag. Für Jamilah hatte der Verlust der Kinderbetreuung dramatische Konsequenzen: Ihr befristeter Arbeitsvertrag war gerade ausgelaufen und sollte eigentlich in einen unbefristeten Anschlussvertrag umgewandelt werden. Doch mit der fehlenden Kinderbetreuung für Milena wurde daraus nichts. Auf der Warteliste für eine Nachmittagsbetreuung in der Schule, die Milena statt des Horts hätte besuchen können, ging es einfach nicht voran. Jamilah musste sich arbeitslos melden und blieb über zwei Jahre lang ohne Job. Sie hätte zwar juristisch gegen die Hort-Kündigung vorgehen können, mochte ihr Kind aber verständlicherweise nicht in einer Einrichtung betreuen lassen, wo es unerwünscht war.

Eltern dürfen nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen werden

Ein echtes Aufreger-Thema, wenn ihr mich fragt. Für Dr. Kröger war der Fall auch ganz klar, in seinem Expertenkommentar zu meinem Portrait sagt er unter anderem: „Kinder mit einer chronischen Erkrankung haben einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz wie andere Kinder auch. Außerdem stehen ihnen bei Bedarf Integrationshilfen in der Kita, im Kindergarten und in der Schule zu. Das ist im Sozialgesetzbuch genau geregelt. Wenn Kindern diese Unterstützung verweigert wird, können Eltern im Eilverfahren durchsetzen, dass die Hilfen gewährt werden. Eltern dürfen nicht aufgrund der Erkrankung eines Kindes aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen werden.“ Die Redakteurin der BamS fand das Fallbeispiel toll, besuchte Jamilah und ihre Tochter, sprach ausführlich mit den beiden, hörte sich ihre Geschichte an und kündigte den Besuch eines Fotografen an, der den Artikel bebildern sollte.

Artikel gekürzt, Fallbeispiel gestrichen, Fototermin gecancelt

Dann aber hörte Jamilah nichts mehr von der Redakteurin. Wunderte sich, weil sich kein Fotograf mit einem Terminvorschlag bei ihr meldete und hakte schließlich selbst bei der Redaktion nach. Sie erfuhr, dass man – leider, leider – ihre Telefonnummer verlegt hatte und sie deshalb nicht informieren konnte, dass man umdisponiert und den geplanten Artikel von 4 auf 2 Seiten verkürzt hatte. Ihr Fallbeispiel war deshalb einfach rausgeflogen, der Fototermin wurde gecancelt. Jamilahs Tochter Milena war tief enttäuscht, und Jamilah selbst ärgerte sich, dass sie sich gegenüber der Redakteurin geöffnet und ihr sogar alte Familienbilder überlassen hatte. Ich erfuhr parallel dazu über Dr. Kröger davon, dass die Story anders aussehen würde als ursprünglich geplant. Seine Telefonnummer hatte die Redakteurin offenbar nicht verlegt.

Es ist schlechter Stil, Interviewpartner einfach so in der Luft hängen zu lassen

Ich finde das alles ziemlich ärgerlich. Natürlich kann es immer mal wieder vorkommen, dass redaktionsintern umdisponiert werden muss. Manchmal muss man Artikel kürzen, weil unverhofft zusätzliche Anzeigen (von denen ein Blatt schließlich lebt) eingeplant werden müssen. Manchmal kommen aktuelle Ereignisse dazwischen, die akut mehr Raum einfordern. All so etwas ist journalistischer Alltag, davon kann auch ich ein Lied singen. Aber ich finde es ziemlich schlechten Stil, eine Familie einfach so in der Luft hängen zu lassen, die einer Redakteurin für einen Artikel Einblick in ihr Privatleben gewährt hat und natürlich davon ausgeht, dass der Artikel auch wie angekündigt erscheinen wird. Die sich vielleicht extra Zeit freigehalten hat, damit ein Fotografentermin stattfinden kann. Um dann nur auf eigene Nachfrage hin zu erfahren, dass die ganze Aktion abgeblasen wurde.

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Es wäre eine tolle Chance gewesen, auf Diskriminierung hinzuweisen

Der Artikel (siehe oben), wie er nun heute in der BamS erschienen ist, ist nicht schlecht. Ich freue mich zum Beispiel, oben rechts die Youtuberin Kathi zu sehen, die ich über die Blood Sugar Lounge und verschiedene Diabetes-Events kenne (statt der zwei US-amerikanischen Blogger wären mir auch ein ganzer Haufen deutscher Bloggerinnen und Blogger eingefallen, die man dort hätte vorstellen können – aber geschenkt). Und ich finde es auch gut, dass mit diesem Artikel eine breite Öffentlichkeit von der aktuellen Forschung erfährt, die Prof. Gabriele Ziegler am Helmholtz-Institut betreibt. Aber zum Weltdiabetestag hätte ich mir eben auch gewünscht, dass sich die BamS mit ihrer immensen Reichweite auch des Themas Diskriminierung annimmt. Damit möglichst viele Menschen lesen, dass es eben nicht immer einfach ist, den Alltag mit Diabetes zu meistern (ihr kennt die blöden Sprüche: „Ach, das ist doch nur Diabetes…“) – und zwar leider nicht zuletzt deshalb, weil Menschen mit Diabetes und ihren Angehörigen das Leben sogar von staatlichen Einrichtungen manchmal unnötig (in Jamilahs Fall sogar rechtswidrig) schwer gemacht wird.

In meinem Buch kann man alle Geschichten dann in voller Länge lesen

Nun gut, mein Buch wird vermutlich weniger Menschen erreichen als die BamS es Woche für Woche tut. Doch dafür kann man darin eine ganze Menge Geschichten in voller Länge nachlesen. Es fliegen bei mir auch keine Fallbeispiele raus, und ich spreche alle Details mit den Menschen ab, die ich portraitiert habe. Ich finde, das bin ich den Menschen schuldig, die mir für die Interviews aus ihrem ganz privaten Leben erzählt haben. Aktuell gehen wir davon aus, dass das Buch gegen Ende Januar 2018 erscheinen wird – bleibt also dran, ich halte euch weiterhin auf dem Laufenden! 🙂

2 Kommentare zu “Die BamS berichtet über Typ-1-Diabetes – doch das Thema Diskriminierung fällt leider unter den Tisch

  1. Damit möglichst viele Menschen lesen, dass es eben nicht immer einfach ist, den Alltag mit Diabetes zu meistern

    Dieser Teil fehlte bei meinem Kommentar.

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  2. <>

    DAS INTERESSIERT KEIN SCHWEIN!
    Am wenigsten die Bams. Ich denke du kennst den Laden, Presse ist Kommerz, rührselige Geschichten schleppt jeder Leser mit sich selbst herum. Bringt keine Auflage mit bunten, farbigen Bildern.
    Die sollen froh sein, dass sie nicht in dieser zeitung abgebildet wurden

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