Die Firma Roche Diagnostics, bei Diabetikern vor allem durch ihre Marke Accu-Chek und eine kaum zu leugnende Schwerfälligkeit bei Innovationen bekannt, will sich künftig aktiver in den sozialen Medien engagieren. Dafür hat sie zu ihrem traditionellen Roche-Mediendialog dieses Jahr erstmals auch einen ganzen Haufen Diabetes-Blogger eingeladen. Und das hat Spaß gemacht.
Ich kenne die Firma Roche Diagnostics schon recht lange und inzwischen aus einigen verschiedenen Perspektiven. So habe ich etliche Jahre lang im Auftrag einer PR-Agentur Fachpressetexte für die Diabetes-Sparte des Konzerns geschrieben – und zwar lange bevor ich selbst an Typ-1-Diabetes erkrankt war. Mit meiner Diagnose gewann meine Beziehung zu Roche und seiner Diabetes-Marke Accu-Chek eine neue Facette: Ich wurde auch zur Kundin, denn bei meinem ersten Besuch in einer diabetologischen Praxis entschied ich mich intuitiv für das seinerzeit nagelneue Blutzuckermessgerät Accu-Chek Mobile. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich erst wenige Tage zuvor einen Fachpressetext zur Markteinführung des Geräts geschrieben hatte und daher eine recht gute Vorstellung davon hatte, wie das Ding funktioniert. Ich habe diese Produktentscheidung übrigens später auch nicht bereut, nachdem ich diverse andere Blutzuckermessgeräte getestet hatte. Erst das Freestyle Libre ist für mich mehr als ein bedeutungsloser Seitensprung, denn seit ich dieses System nutze, kommt mein Accu-Chek Mobile nur noch etwa zwei- bis dreimal am Tag zum Einsatz.
Szenenwechsel beim traditionellen Roche-Mediendialog
Seit vielen Jahren ist mir auch der Mediendialog von Accu-Chek ein Begriff, zu dem Roche jedes Jahr im März Journalisten auf das schöne Schloss Hohenkammer einlädt. In der Regel werden dort einige – meist auch journalistisch verwertbare – Fachvorträge zum Thema Diabetes geboten, verknüpft mit Informationen zu den neuesten Produkten und Dienstleistungen aus dem Hause Roche. In diesem Jahr wollte die Marketing-Abteilung von Roche neue Wege gehen und sich erstmals auch der Blogger-Szene öffnen. Etliche andere Unternehmen im Diabetes-Bereich sind schon länger auf diesem Gebiet aktiv und laden ab und an Blogger zu Events, Workshops oder zu Exklusivtests von Prototypen ein. Nun also auch Roche: Die Blogger waren (zur Überraschung einiger Journalisten) eingeladen, am traditionellen Mediendialog vom 13. bis 14. März 2015 teilzunehmen und im Anschluss noch eine Nacht für den Social Media Dialog dranzuhängen. Ich war sowohl als Journalistin als auch als Bloggerin eingeladen und fand es spannend, den Szenenwechsel im Laufe der Veranstaltung zu beobachten.
Erstes Aha-Erlebnis: das einseitig befristete Tages-Du
Beim traditionellen Mediendialog lief noch alles wie gewohnt: Frontalunterricht mit Referenten und Powerpoint-Folien, man sprach sich überwiegend per Sie an (Medizinjournalisten sind in diesem Punkt nämlich deutlich konservativer als die gemeine Journaille). Die Blogger senkten den Altersdurchschnitt des Publikums zwar signifikant, doch ansonsten gab es keine nennenswerten Überraschungen. Das änderte sich schlagartig, als am Samstagmorgen alle Journalisten abgereist waren. Beim Social Media Dialog saßen wir auf einmal in einem kommunikativen Rund zusammen, und die Roche-Mitarbeiter boten uns kollektiv das Tages-Du an. Tages-Du? Mir war diese Anredeform bis dato völlig unbekannt, doch wie ich inzwischen recherchiert habe, stammt sie offenbar aus dem Golfmilieu und wird auch in einem Kapitel über pronominale Anredeformen der Wikipedia erläutert. Das Tages-Du funktioniert so: Zwei Menschen, die sich im normalen Leben eigentlich siezen, duzen sich für den Zeitraum einer Veranstaltung (das kann ein Golfturnier sein oder wie in unserem Fall ein Social Media Dialog). Das Du ist daher befristet. Bei Roche hatte man sich im Vorfeld der Veranstaltung im Rahmen eines Meetings entschlossen, uns kollektiv das Tages-Du anzubieten und es nur einseitig zu befristen: Wir Blogger hatten nach der Veranstaltung also die Option, ohne weitere Ankündigungen zum Sie zurückzukehren, oder aber das Du auch bei künftigen Zusammentreffen beizubehalten.
„Verstaubt“ und „nicht so cool“: ein optimierungsbedürftiges Image
Das klingt komplizierter als das Leben in Wirklichkeit sein muss. Und ich erzähle es deshalb so ausführlich, weil die Sache mit dem Tages-Du mir exemplarisch erscheint für das Unternehmen Roche. Wir haben es hier mit einem riesigen Konzern in der hochregulierten Pharmabranche zu tun, sprich: mit komplexen inneren Strukturen und verschlungenen Prozessen der Entscheidungsfindung, einem sehr großen und sehr langsamen Apparat. Dieser Apparat genießt in der Diabetes-Szene deshalb bisher nicht den allerbesten Ruf, wie sich gleich in unserer Vorstellungsrunde offenbarte (nein, es war keine klassische Vorstellungsrunde, sondern ein lustiger Elevator Pitch, mit dem jeder Blogger kurz präsentieren sollte, was ihn und sein Blog ausmacht). Nach ihrem Bild von Roche gefragt, nahmen die meisten Blogger kein Blatt vor den Mund und antworteten, der Konzern sei „ein bisschen verstaubt“, „nicht so cool“ und vor allem „bei Innovationen immer ein bisschen hinterher“, auch wenn die Produkte selbst (wenn sie denn nach langer Entwicklungszeit einmal auf dem Markt sind) solide und zuverlässig funktionieren. Ein optimierungsbedürftiges Image also – und der Social Media Dialog sollte für Roche der Startschuss für ein moderneres Bild nach außen und für mehr Vernetzung mit den Anwendern und ihren Meinungsbildnern werden.
In entspannter Atmosphäre kommt man auf die tollsten Ideen
Sofern es dem engagierten und sympathischen Team von Roche gelingt, den am Wochenende eingeschlagenen Kurs beizubehalten, könnte das auch tatsächlich klappen. Denn wir Blogger bekamen am vergangenen Wochenende tolles Input – etwa in Form von Schreibcoaching für lesefreundlichem Textaufbau. Wir durften als erste einen Blick in die aktuelle Accu-Chek-Marketingkampagne „So bunt wie mein Leben“ werfen und konnten die neue App zum Blutzuckermesssystem Accu-Chek Aviva Connect inklusive Fotodokumentation von Mahlzeiten vor Ort beim Abendessen testen (die Ergebnisse dieser Tests kann man an der Twitterwall unter #meinbuntesleben anschauen). Wir konnten in einer tollen Umgebung klönen und virtuelle Freunde endlich einmal live kennen lernen. Wir konnten miteinander über aktuelle Entwicklungen auf dem Diabetessektor diskutieren. Einige von uns konnten sich sogar zu ein paar gemeinsamen Laufkilometern aufraffen. Bei soviel Input entstehen fast von ganz allein auch jede Menge Ideen für künftige Roche-Veranstaltungen mit Medienvertretern und Bloggern, für den Austausch auf Augenhöhe zwischen Diabetes-Bloggern und der Industrie sowie für Blogger-Projekte und verschiedene Sponsoring-Optionen. Ich bin also gespannt, was man in Roches Deutschlandzentrale in Mannheim mit all diesen Impulsen für ein lebendiges Social Media Marketing in Zukunft anstellt, und freue mich auf das nächste Event – dann vielleicht schon mit Jahres-Du… 🙂
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