Vor einer Weile habe ich hier ja schon einmal ein Rezept für süße Brötchen von Bettina Meiselbachs Blog Happy Carb zum besten gegeben. Ihr Blog läuft so erfolgreich, dass der Systemed-Verlag sie als Autorin unter Vertrag genommen hat, und zwar für gleich zwei Bücher. Das erste der beiden ist vor einer Weile erschienen: Darin beschreibt sie, wie sie nach ihrer Diagnose Typ-2-Diabetes nicht nur ihre Ernährung, sondern ihr ganzes Leben umgekrempelt hat.
Auf Bettis Blog Happy Carb findet man ausschließlich kohlenhydratarme Rezepte. Für den Alltag mit viel Gemüse, viel Eiweiß und definitiv nicht fettreduziert. Außerdem Rezepte für Kuchen und andere Naschereien mit wenig Kohlenhydraten und entsprechenden Ersatzzutaten statt Getreidemehl und Zucker. Als Betti 2013 im Rahmen einer Rehakur die Diagnose Typ-2-Diabetes erhielt, hatte man ihr allerdings eine ganz andere Ernährung nahegelegt, nämlich orientiert an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Diabetikern (also Menschen mit einer Störung des Glukosestoffwechsels) allen Ernstes immer noch empfiehlt, 45 bis 60 Prozent ihrer Kalorienzufuhr aus Kohlenhydraten zu bestreiten. Wohlgemerkt alles basierend auf Studien, die an stoffwechselgesunden Probanden durchgeführt werden.
Es gibt viele Ursachen, die letztendlich zur Diagnose Typ-2-Diabetes führen
Betti brachte zum Zeitpunkt ihrer Diagnose 130 Kilo auf die Waage und war krank. Ihr Job machte sie unglücklich, sie litt unter Durchfällen und Schlafstörungen, alle Blutwerte waren aus dem Ruder gelaufen, ihr Hausarzt machte sich ernste Sorgen um sie. Essen war ihr Seelentröster, mit dem sie den aufgestauten Frust betäubte. Im ersten ihrer beiden Bücher beschreibt sie sehr offen und nachvollziehbar, wie es dazu kam, dass ihr Essverhalten und damit auch ihr Gewicht außer Kontrolle gerieten. Wer ihre Geschichte liest, wird begreifen, dass es viele Ursachen gibt, die letztlich zur Diagnose Typ-2-Diabetes führen. Und zwar nicht nur übermäßiges Essen und zu wenig Bewegung, sondern auch ungesunder Stress, der den Hormonhaushalt zusätzlich aus dem Gleichgewicht bringt und die Stoffwechsellage verschlechtert.
Lebensfreude, Gewichtsverlust, Diabetes im Griff
Glücklicherweise hat Betti das Ruder herumreißen können, und zwar an etlichen Fronten. Sie hat ihren ungeliebten Job gekündigt und sich mit ihrem Blog Happy Carb selbstständig gemacht. Sie fühlt sich wieder wohl in ihrem Leben. Sie hat Freude an Bewegung gefunden und sportelt regelmäßig. Sie hat über 60 Kilo Gewicht verloren. Sie benötigt nicht einmal mehr Metformin um ihre Glukosewerte im Griff zu behalten. Ihr HbA1c-Wert liegt bei beneidenswerten 5,7 Prozent. Sie gehört also zu den bewundernswerten Menschen, die ihre Diagnose Typ-2-Diabetes im Grunde genommen abwenden konnten.
Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Happy Carb und LOGi
Das alles gelang ihr, indem sie sich eben nicht an die Empfehlungen der DGE hielt, sondern ihren eigenen Ernährungsplan austüftelte, den sie „Happy Carb“ nennt. Weniger Kohlenhydrate benötigen weniger Insulin, die Blutzuckerkurve schlägt nicht so heftig aus, die nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten so typischen Heißhungerattacken bleiben aus, die Fettverbrennung wird trainiert, die Pfunde schmelzen – so in etwa kann man ihre Ernährungsphilosophie knapp zusammenfassen. Ich persönlich sehe da wenig Unterschiede zur LOGI-Methode, in der ebenfalls Kohlenhydrate reduziert und durch mehr Eiweiß und Fett ersetzt werden. Doch welchen Namen man dem Kind gibt, ist ja egal – so lange es funktioniert und schmeckt!
Ernährungswissenschaftliches Fachwissen einfach und verständlich rübergebracht
Mir hat ihr erstes Buch sehr gut gefallen. Zum einen, weil sie sehr offen und ehrlich ihre Geschichte erzählt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen sich darin wiederfinden werden – sowohl in ihrer Schilderung der stetigen Gewichtszunahme als auch in der Beschreibung ihrer unbefriedigenden Jobsituation als weiterer Mosaikstein für die Entstehung ihres Typ-2-Diabetes. Zum anderen, weil sie in der für ihr Blog typischen lockeren Schreibe eine Menge ernährungswissenschaftliches Fachwissen einfach und verständlich rüberbringt, ohne dass einem Fremdwörter und chemische Formeln das Hirn verrenken.
Interessantes Kapitel von Bettis Hausarzt
Interessant fand ich auch das Kapitel, das ihr Hausarzt (eben jener, der vor ihrer Rehakur so besorgt um sie war) beigesteuert hat. Daraus hat sich mir vor allem folgender Satz eingeprägt: „Zu oft vergessen wir, wenn wir von gesunder ‚Ernährung‘ sprechen, dass wir eigentlich ‚Essen‘ meinen. Steht Ersteres für eine wissenschaftliche Disziplin, objektivierbar und lehrbar, steht Letzteres für etwas, das tiefer und älter in unseren Gehirn- und Bewusstseinsstrukturen verankert ist. Essen ist Emotion, Lust, Bewältigung von Problemen und deren Kompensation. Bettina Meiselbach beschreibt das Essen (‚Fressen‘) als ‚Schmerzmittel‘. Deutlicher kann man es wohl nicht benennen.“
Essen soll nicht nur satt, sondern auch zufrieden machen
Mir persönlich sind auch alle dogmatischen Ansätze zuwider, nach denen man sich „ausgewogen und gesund ernährt“ (buah, das klingt per se schon einmal nach einer grauslichen Pflichtübung wie es früher einmal die tägliche Einnahme von Lebertran gewesen sein muss…) anstatt lecker zu schlemmen. Wenn Essen keinen Genuss bereitet, geht auf lange Sicht irgendetwas schief. Insofern ist mir Bettis Haltung zum Essen, das nicht nur satt, sondern auch zufrieden machen soll, absolut sympathisch. Ich habe zwar noch nicht allzu viele Rezepte von Bettis Blog nachgekocht (weil ich generell eher selten exakt nach Rezept koche), aber sie dienen mir häufig als Inspiration für eigene Kreationen. Und die schmecken in der Regel.
Lesetipp auch für Typ-1-Diabetiker
Auch wenn sich das Buch in erster Linie natürlich an Menschen mit Typ-2-Diabetes (oder diejenigen, die an der Schwelle zum Typ-2-Diabetes stehen) richtet, kann sicher auch der eine oder andere Typ-1-Diabetiker viel aus der Lektüre ziehen. Auch unter Typ-1-Diabetikern gibt es viele Übergewichtige, die bereits eine massive Insulinresistenz aufweisen. Wären sie nicht aufgrund ihres Typ-1-Diabetes ohnehin insulinpflichtig, hätten sie längst die Diagnose Typ-2-Diabetes bekommen. Insofern kann ich das Buch jedem empfehlen, der ein wenig abspecken, seine Glukoseprofile glätten, sein Verhältnis zum Essen überdenken und leckere, stoffwechselfreundliche Rezpetideen sammeln möchte. Im ersten Buch, das vor allem Bettis Werdegang von der kranken 130-Kilo-Frau zur glücklichen Happy-Carb-Ikone beschreibt, sind 30 Rezepte enthalten. Das zweite Buch, auf das ich mich ebenfalls schon sehr freue, ist dann ein reines Rezeptbuch.
Das vorgestellte Buch wurde mir vom Systemed Verlag kostenlos zum Zweck als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Mein Blogbeitrag darüber spiegelt meine persönliche und vom Verlag unbeeinflusste Meinung wider.
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