Den ganzen Februar hindurch habe ich alle Pennadeln, Freestyle Libre-Applikatoren, Sensoren, Insulinampullen nebst dazugehörigen Blisterpackungen, Pappschachteln von Diabetesprodukten und Blutzuckerteststreifen nebst Verpackung in einer Box gesammelt. Es kam einiges zusammen. Und doch finde ich das Müllaufkommen im Vergleich zu unseren anderen Müllmengen gar nicht so heftig.
Ich hatte euch vorgewarnt, dass ich unter die Müllsammler gegangen bin. Hier kommt nun mein Fazit nach vier Wochen, in denen ich mich immer wieder davon abhalten musste, meine gerade benutzte Pennadeln in den Mülleimer zu schmeißen: Haaaaalt, das gehört diesen Monat in die große Plastikbox in meinem Arbeitszimmer! Nun ist der Februar vorbei und damit Zeit für meine Müllbilanz.
Hier könnt ihr sehen, wieviel Diabetesmüll bei mir insgesamt im Februar zusammengekommen ist, nämlich knapp 300 Gramm:

Ich habe mir dann auch noch die Mühe gemacht, den Müll nach Produktgruppen zu sortieren: Ich habe einmal alle Pappschachteln, einmal alle Applikatoren für das Freestyle Libre 3 (FSL3), einmal alle Insulinampullen nebst Blisterpackungen, einmal alle Pennadeln und einmal alle Blutzuckerteststreifen nebst Einzelverpackung auf die Küchenwaage gepackt.





Ich will weiter nach jeder Injektion die Nadel wechseln
Am meisten Diabetesmüll kommt also durch meine Pennadeln (108 Gramm) zusammen. Ich hatte das bereits geahnt, denn schließlich lasse ich mir alle halbe Jahre 8 Packungen à 100 Stück von meiner Diabetespraxis verschreiben, und die verbrauche ich auch nahezu restlos in diesem Zeitraum. Denn vor ein paar Jahren habe ich mir angewöhnt, wirklich konsequent nach jeder Injektion die Nadel zu wechseln, um Hautirritationen und Lipohypertrophien zu vermeiden. Das sind unschöne Gnubbel, an denen das Insulin nicht mehr gut wirkt. Sie können entstehen, wenn man die Injektionsstellen nicht wechselt, aber auch wenn man Pennadeln (immerhin von Haus aus Einwegprodukte) mehrfach verwendet, sodass sie abstumpfen und die Haut stärker verletzen als eine frische Nadel.
Mein Sensorsystem hat schon den kleinsten Applikator
Auf Platz 2 des Müll-Rankings finden sich mit 90 Gramm die FSL3-Applikatoren – was ich recht erstaunlich finde angesichts der Tatsache, dass die im Vergleich zum Vorgänger FSL2 doch bereits erheblich kleiner und leichter geworden sind. Würde ich weiterhin das FSL2 nutzen, wären über 140 Gramm Müll in Form von Applikatoren zusammengekommen. An dritter Stelle stehen Verpackungen aus Papier und Pappe (80 Gramm). Hier habe ich allerdings nur die Verpackungen der Produkte (FSL3-Sensoren, Insulin, Pennadeln, Beipackzettel, Bedienungsanleitungen) selbst gewogen, den Versandkarton meiner Sensoren hatte ich nicht mehr, als ich mich zu meinem Experiment entschlossen hatte.
Meine Teststreifen fallen buchstäblich nicht ins Gewicht
Insulinampullen und ihre Blisterverpackungen fallen mit 26 Gramm nur minimal ins Gewicht (ich habe mit 2 Ampullen Lantus und 2 Ampullen Lyumjev pro Monat alledings auch einen recht geringen Insulinverbrauch). Meine Blutzuckerteststreifen – ich nutze die Freestyle Precision, die man in das FSL-Lesegerät einschieben kann – hatte ich eigentlich für ziemliche Müllsünder gehalten, weil sie einzeln in Folie eingeschweißt sind. Doch da ich nur sehr wenige blutige Messungen pro Monat durchführe, kam nur so wenig Müll zusammen, dass meine Küchenwaage nicht einmal ein Gramm anzeigen konnte.
Was schließe ich nun aus meinen Erkenntnissen? Gibt es Punkte, an denen ich persönlich etwas verändern kann, um weniger Diabetesmüll zu produzieren?
- Wenn ich meinen Hauptverursacher von Diabetesmüll anpacken wollte, müsste ich meinen Verbrauch an Pennadeln reduzieren. Das hieße, entweder meine Ernährung so anpassen, dass ich für möglichst viele Mahlzeiten gar kein Bolusinsulin benötige (was gelegentlich gelingt, wenn ich sehr kohlenhydratreduziert esse und/oder nach dem Essen noch ordentlich Bewegung einschiebe). Oder ich müsste wieder weg von meinem Prinzip, konsequent jedes Mal die Nadel zu wechseln (was ja übrigens auch von Ärzt:innen und Herstellerfirmen empfohlen wird). Die erste Option erscheint mir nicht praktikabel, die zweite medizinisch nicht sinnvoll. Es ließe sich natürlich Müll einsparen, wenn die Pennadeln anstelle der untenrum etwas breiteren grünen Kappe wieder die alte schlanke Kappe hätten, wie sie früher bei den Pennadeln von BD üblich war. Doch mit den alten Modellen habe ich mir beim Wiederverschließen vor dem Wegwerfen häufiger in den Finger gestochen als mit den neuen breiteren Kappen. Ich wünsche mit die alten schlanken Kappen also nicht zurück, auch wenn sich mit ihnen sicherlich schätzungsweise 20 Gramm Müll pro Monat einsparen ließen.
- Bei den Applikatoren sehe ich keine Möglichkeit, Müll zu reduzieren, denn schließlich hält ein FSL3-Sensor zwei Wochen und muss dann durch einen neuen Sensor ersetzt werden, der mit einem neuen Applikator angebracht wird. Ich habe keinen Applikator eines anderen Systems (z. B. Dexcom oder Enlite) zur Hand, doch ich glaube, dass der FSL3-Applikator zurzeit der kleinste und leichteste auf dem Markt ist. Auf den Komfort der kontinuierlichen Glukosemessung und den therapeutischen Gewinn möchte ich natürlich auch nicht verzichten. Hier kann ich also nichts tun – könnte mir aber vorstellen, dass Abbott auch mit wiederverwendbaren Applikatoren arbeiten könnte, die einem z. B. einmal pro Quartalslieferung zugeschickt werden.
- Bei Papier und Pappe besteht für mich persönlich ebenfalls kein Handlungsspielraum. Für die Hersteller bzw. Lieferanten gäbe es u. U. die Möglichkeit, bei den Pappschachteln konsequent auf Altpapier zu setzen und die Kartongrößen für den Versand möglichst passend zu wählen, um kein Verpackungsmaterial zu verschwenden.
- Auf meinen Insulinverbrauch habe ich ebenfalls nur bedingt Einfluss. Natürlich kann ich meine Insulinempfindlichkeit durch mehr Sport verbessern und den Insulinbedarf durch Low Carb-Ernährung nach unten drücken. Doch wenn ich das mache, dann aus gesundheitlichen Gründen – und nicht um 13 Gramm Müll im Monat einzusparen. Einen großen Pluspunkt kann ich aber sicherlich dadurch einheimsen, dass ich keine Einweg-Pens verwende, sondern seit mindestens 10 Jahren Jahren meinen schönen und stabilen Humapen Luxura, der nach wie vor 1a funktioniert und mit dem ich mir mein Lyumjev zuführe. Mein TactiPen für Lantus ist nicht ganz so haltbar: Alle paar Jahre brauche ich einen neuen, weil die Verschlusskappe dann nicht mehr fest sitzt und sich vom Pen löst. Wenn der Hersteller das in den Griff bekäme, würde ich mich freuen.
- Bei den Blutzuckerteststreifen bin ich nun sogar von meinem schlechten Gewissen befreit, das ich wegen der Einzelnverpackungen der Teststreifen latent immer hatte. Ja, das macht Müll, der nicht anfiele, wenn ich Teststreifen aus den Teststreifendosen verwenden würde. Doch auch die sind letztlich aus Plastik – und bei so seltenen blutigen Messungen wie bei mir sind die einzeln verpackten Teststreifen einfach praktisch, hygienisch und sicher.
Und auch wenn der gesammelte Müll aus einem Monat durchaus ein beachtliches Volumen hatte, finde ich, dass man diesen Müll auch mal in Relation zu dem übrigen Müll sehen muss, der in einem Haushalt so anfällt.



Mein sonstiger Alltag macht viel mehr Müll als mein Diabetes
Denn da kommt einfach soooo viel mehr zusammen, das sich dort deutlich mehr Ansatzpunkte für Müllvermeidung sehe als in der Diabetestherapie. Ein 250-Gramm-Becher Magerquark ist schnell bei einem Frühstück verputzt, ein großer Becher Skyr hält bei uns auch nur wenige Tage. Wir versuchen zwar, Plastikmüll zu reduzieren (so sind wir auf feste Shampoos und Duschgels umgestiegen, mixen etliche Haushaltsreiniger nach einfachen Rezepten selbst an, kaufen unsere Milch via Biokiste in der Pfandflasche, auch Joghurt kommt im Pfandglas vom Biohof, sofern wir ihn nicht in der Joghurtmaschine selbst machen) – und trotzdem kommen wöchentlich mindestens 400 Gramm Wertstoffe für die gelbe Tonne zusammen. Doch die sind ja noch nicht alles: Alle zwei Wochen etwa landet eine ähnliche Menge Restmüll in der schwarzen Tonne, dazu kommen noch Biomüll und eine 240-Liter-Papiertonne, die alle vier Wochen geleert wird und bei jeder Abholung rappelvoll ist. Und Batterien sowie Elektroschrott, denn Christoph irgendwo im Keller sammelt und gelegentlich zum Resthof fährt. Will sagen: Mein Diabetesmüll ist im Vergleich zu unserem sonstigen Müll eigentlich nicht der Rede wert.
Ich bleibe trotzdem dran am Thema ‚Green Diabetes‘
Das soll nicht heißen, dass ich die Bewegung ‚Green Diabetes‘ für überflüssig halte. Es gibt sicherlich etliche Ansatzpunkte für geringeren Ressourcenverbrauch bei Diabetesprodukten. Auch und gerade in den Bereichen, die ich als Endverbraucherin gar nicht sehe: In der Produktion, beim Zwischenhandel, beim Versand, in den Diabeteseinrichtungen. Ich werde mich auch weiter mit dem Thema beschäftigen – in der Diabetes Zeitung ist in der aktuellen Ausgabe z. B. ein Artikel von mir über die Sitzung bei der DiaTec-Tagung und beim T1Day erschienen, der Auftakt für eine kleine Serie zum Thema ist. Aber ich denke, dass ich mich nicht verrücktmachen sollte, weil mein Diabetes Müll macht. An anderer Stelle lässt sich deutlich mehr Abfall einsparen.
Übrigens haben, inspiriert durch meinen Beitrag zum Müllsammeln auf Instagram, auch ein paar weitere Leute (zufälligerweise mit ganz unterschiedlichen Therapiekonstellationen) im Februar ihren Diabetesmüll gesammelt und mir Fotos davon geschickt – vielen lieben Dank dafür! Schwer zu sagen, welche Therapieform mehr Müll verursacht, oder?



(Dexcom, Insulinpen)
18. März 2022 um 11:29
Ich kann nicht verstehen, warum Abbott die Applikatoren nicht zurück nimmt, aufarbeitet und zurück in den Umlauf bringt.🤷♂️
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6. März 2022 um 10:00
ja, der freestyle libre 3 ist ein wirklicher fortschritt. da ich vornehmlich als zweier durch ernährung insulinfrei bin, fallen bei mir die tablettenpaletten und noch trulicity einmalpen einmal die woche als müll an.
grüße ostSeh
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