Nun habe ich echt ein schlechtes Gewissen gegenüber all denjenigen von euch, die mir seit meinem letzten Blogbeitrag die Daumen gedrückt und noch nicht auf Instagram mitbekommen haben, dass der Termin beim Nephrologen ganz prima verlaufen ist. Aber besser spät als nie: „Ich kann Ihnen hier keine Krankheit anhängen“, war sein Kommentar zu den Laborergebnissen und der Auswertung der 24-Stunden-Blutdruckmessung.
Als ich mich am 21. März auf’s Fahrrad schwang und zur nephrologischen Praxis radelte, war ich noch relativ ruhig und zuversichtlich. Denn immerhin wusste ich, dass ich in den zurückliegenden sechs Wochen wirklich konsequent alle Strippen gezogen hatte, die man in Sachen ‚gesundheitsförderlicher Lebensstil‘ halt ziehen kann. Ich hatte komplett auf Alkohol verzichtet (wobei ich auch sonst kein allzu schlimmer Schluckspecht bin), keine Süßigkeiten gegessen (Ausnahme: Kuchen am Wochenende), wieder akribisch Kalorien gezählt wie schon 2018, als ich so erfolgreich abgenommen hatte und mein Sportpensum erhöht. Und ich war zumindest überzeugt, dass sich mein Blutdruck und meine Nierenwerte erkennbar würden verbessert haben.
Aber der Besuch in der nephrologischen Praxis Elmshorn ist dann doch nichts für schwache Nerven. Sie hat ihren Sitz auf dem Gelände des Krankenhauses. Und um dorthin zu gelangen, passiert man erst ein Pflegeheim und dann ein Hospiz und eine Palliativstation, die einem die Vergänglichkeit menschlichen Lebens in Erinnerung rufen. Im Wartebereich saß außer mir noch eine sehr gebrechlich wirkende alte Dame, die nach ihrem Termin im Sprechzimmer noch einmal ausgerufen wurde und mitgeteilt bekam, dass sie unverzüglich in die Notaufnahme gehen muss. „So ist es also, wenn man Nierenpatientin ist“, schoss es mir durch den Kopf.
Juchu – alle neuen Werte im Normbereich!
Doch als ich dann selbst beim Nephrologen im Sprechzimmer saß, gab es umgehend eine Entwarnung: Dieses Mal war im Labor keinerlei Eiweiß in meinem Urin gefunden worden – und zwar nicht nur in einer Miniprobe, sondern in der stolzen Menge von 2,8 Liter Sammelurin, die ich ein paar Tage zuvor im Verlauf von 24 Stunden zu Hause gesammelt hatte. Auch mein Blutdruck hatte sich bei der erneuten 24-Stunden-Messung von seiner besten Seite gezeigt, war immer im Normbereich geblieben und in der Nacht deutlich abgesunken.
Verstanden, dass manche Regeln besser befolgt werden sollten
Der Nephrologe fragte mich ein bisschen über mich und meinen Diabetes aus. Ich erzählte ihm von meiner aktuellen Lebensstiländerung, aber auch von meiner sportlichen Vorgeschichte und meiner angesichts meines Alters doch noch recht kurzen Diabetesdauer. Er meinte, allein die bislang nur 13 Jahre Diabetes seien schon mal viel wert, denn wie oft erlebe er Menschen mit Typ-1-Diabetes, die sich „in der Pubertät ihre Organe zerschossen haben“, indem sie ihren Diabetes hatten schleifen lassen. Ich hoffe ja, dass er im direkten Umgang mit diesen Menschen etwas sensiblere Formulierungen wählt, doch im Prinzip muss ich ihm zustimmen: Mein Typ-1-Diabetes hat sich erst zu mir gesellt, als ich bereits 40 Jahre auf dem Buckel und damit ein Alter erreicht hatte, in dem man meist irgendwie kapiert hat, dass bestimmte Regeln besser eingehalten werden sollten, um Gefahr abzuwenden. In meinem Fall jedenfalls war das so: Ich hatte bislang zwar mal gelegentliche Durchhänger, also Phasen, in denen ich weniger motiviert war, mich um meinen Diabetes zu kümmern. Doch insgesamt gelingt es mir doch recht gut, ihn gewissenhaft zu behandeln. Hätte ich den Diabetes im Alter von z. B. 15 Jahren bekommen, dann stünde ich sicherlich heute ganz anders (und zwar weniger gut) da. Denn ich habe während meiner Pubertät doch gegen so einiges rebelliert – und der Diabetes bzw. der sinnvolle Umgang damit wäre möglicherweise eine großartige Spielwiese für diese Rebellion gewesen.
Den Schweinehund lieber an kürzerer Leine führen
Wie lange ich meinen Diabetes schon habe oder wie lange ich davon unbehelligt war, entzieht sich natürlich meinem Einfluss. Anders hingegen verhält es sich mit meinem Lebensstil. Da kann ich doch allerhand schrauben und ins Positive wie ins Negative beeinflussen. Nur weil ich mit Typ-1-Diabetes prinzipiell alles essen und auch sonst alles tun und lassen darf, ist es nicht unbedingt schlau, alle Freiheiten voll auszukosten. Genauso wie es nicht so schlau ist, dem eigenen Schweinehund allzu viele Freiheiten einzuräumen, wenn es um sportliche Aktivität angeht. Es zahlt sich halt doch aus, wenn man die Leine, an der man sich selbst und den eigenen Schweinehund durch’s Leben führt, ein bisschen straffer gespannt ist. Das fand auch der Nephrologe und meinte: „Es ist doch immer wieder krass zu sehen, wie viel man mit einem gesunden Lebensstil rausholen kann!“
Keine Selbstkasteiung, sondern ungemeiner Gewinn
Und genau deshalb bin ich nun wild entschlossen, meinen seit Januar gewählten Kurs weiter zu verfolgen. Ich will wieder sportlich fit sein, die im Verlauf der Corona-Pandemie angefressenen Kilos wieder loswerden, die diversen Gesundheitsparameter gut im Blick haben und beim Essen mehr gesunde als ungesunde Wahlen treffen. Das ist keine Selbstkasteiung, kein Verzicht, sondern ein ungemeiner Gewinn. Und natürlich motiviert mich das tolle Untersuchungsergebnis beim Nephrologen. Der meinte zum Abschied nämlich mit einem Augenzwinkern: „Von mir aus müssen wir uns so bald nicht wiedersehen. Vielleicht kommen Sie in fünf Jahren mal wieder zur Kontrolle. Aber Hauptsache, Sie machen so weiter wie jetzt!“ Yep, genau das habe ich vor!