Eigentlich war ich bislang immer sehr zuversichtlich, dass ich von den diversen möglichen Folgeerkrankungen meines Diabetes verschont bleibe. Denn schließlich ist der Typ-1-Diabetes erst vor 13 Jahren in mein Leben getreten, als ich bereits 40 Jahre alt war. Und ich habe mich immer gut bzw. sogar sehr gut um meine Therapie gekümmert. Doch nun hat mein Diabetologe beim letzten Check Eiweiß im Urin und einen leicht erhöhten Blutdruck festgestellt. Übermorgen geht es deshalb mit einem Kanister voll Sammelurin zum Nephrologen.
So ein Urlaub auf Norderney mit Strandspaziergängen, Inselerkundungen und ganzen Nachmittagen in der Sauna ist ziemlich gut geeignet, Sorgen um die Gesundheit erst einmal beiseite zu schieben. Jedenfalls ging es mir so, als ich mit Christoph Anfang März eine Woche Wellness-Urlaub an der Nordsee verbrachte. Auch wenn mich die mehrmals täglichen Blutdruckmessungen daran erinnerten, dass womöglich etwas im Busch ist, fühlte ich mich insgesamt weitgehend unbeschwert. Doch nun, da mein Termin beim Nierenspezialisten näher rückt, schleicht sich die Angst wieder ein.
Diese Angst begleitet mich nun unterschwellig seit Anfang Januar, als ich die Laborergebnisse meines jüngsten Routine-Checks in der Diabetespraxis erhielt. Meine Nieren funktionieren zwar insgesamt einwandfrei, doch sie scheiden über den Urin Eiweiß aus, schon zum zweiten Mal in Folge. Beim ersten Mal waren es nur Spuren von Eiweiß gewesen, sodass mein Diabetologe noch keinen Handlungsbedarf gesehen hatte. Doch dieses Mal war der Eiweißanteil deutlich gestiegen – und das ist ein Zeichen dafür, dass irgendetwas mit meinen Nieren nicht stimmt. „Eiweiß ist für den Körper viel zu kostbar, als dass er es einfach so ausscheidet“, erklärte mein Diabetologe. Wenn es doch passiert, liegt das in der Regel daran, dass die Filter der Nieren an irgendeiner Stelle zu durchlässig sind. Die häufigsten Ursachen hierfür sind Diabetes (bzw. zu hohe Glukosewerte) und Bluthochdruck.
Auch ein moderates Überangebot an Zucker im Blut kann den Nieren Ärger machen
Beides kam mir eher unwahrscheinlich vor. Denn immerhin gelingt es mir in der Regel, meine Glukosewerte zwischen 80 und 90% der Zeit im Zielbereich (70–180 mg/dl) zu halten, also 10–20 Prozentpunkte mehr als es die Expertenwelt eigentlich für notwendig erachtet um das Risiko für Folgeerkrankungen niedrig zu halten. Auch bei der Zeit oberhalb und unterhalb des Zielbereichs sowie bei der Schwankungsbreite meiner Glukosewerte (Glukosvariabilität) schneide ich immer besser ab als gefordert, selbst wenn ich zwischenzeitlich mal einen nicht so guten Lauf habe. Allerdings schützt auch eine mustergültige Diabetestherapie nicht zu 100% vor typischen Folgeerkrankungen. Denn natürlich haben Menschen ohne Diabetes mit einem selbstständig funktionierenden Glukosestoffwechsel noch einmal deutlich niedrigere Glukosewerte als ich. Es ist also nicht vollständig auszuschließen, dass auch das moderate Überangebot an Zucker in meinem Blut den Nieren Ärger macht.
Hoher Blutdruck? Nein, iiiiicccccchhhh doch nicht!
Dass mein Blutdruck für die Probleme verantwortlich sein könnte, schien mir ebenfalls unwahrscheinlich. Ich war immer eine Kandidatin für eher niedrigen Blutdruck. In meiner Familie ist Bluthochdruck generell völlig unbekannt. Und jedes Mal, wenn ich mal morgens spaßeshalber mit Christophs Blutdruckmessgerät gemessen hatte, hatte mir die freundliche männliche Stimme am Ende der Messung entweder gesagt, dass mein Blutdruck gemäß WHO-Emnpfehlungen normal oder sogar optimal sei: „Messung beendet – vielen Dank!“ Allein für diese schöne Nachricht hatte ich ab und zu die Blutdruckmanschette angelegt. Doch mein Diabetologe meinte, dass diese punktuellen Messungen – wie auch bei Blutzuckermessungen – natürlich keine strukturierte Messung im Tagesverlauf ersetzt. Er empfahl daher eine 24h-Blutdruckmessung.
Böse Überraschung: 24h-Blutdruckmessung ergab leicht erhöhte Werte
Ich willigte ein – natürlich in der festen Annahme, dass dabei ein auch im Tagesverlauf 1A Blutdruck herauskommen würde. Nachdem mir in der Praxis das Gerät angelegt wurde, maß es tagsüber alle 15 und nacht alle 30 Minuten meinen Blutdruck. An konzentriertes Arbeiten oder Schlaf ist dabei nicht wirklich zu denken, zumal mir das Brummen der sich zusammenschnurrenden Oberarmmanschette jedes Mal in Erinnerung rief, dass irgendetwas nicht stimmt. Denn selbst man den Blutdruck als Übeltäter ausschließen könnte, wäre da ja noch immer das ominöse Eiweiß im Urin, das dort einfach nicht hingehört. Überraschenderweise ergab die 24h-Blutdruckmessung leicht erhöhte Werte. Als mein Diabetologe sie mir im darauffolgenden Gespräch erläuterte, meinte er, dass er in solchen Fällen eigentlich ein blutdrucksenkendes Medikament verschreiben würde. Doch weil er mich als diszipliniert und motiviert kennt, könne man auch einen Versuch mit eine Lebensstilanpassung wagen. Sprich: mehr bewegen, weniger Stress und Gewicht reduzieren.
Lebensstilanpassung: Mehr bewegen, kein Alkohol, weniger Stress, Gewicht reduzieren!
Das waren nun genau die gesundheitlichen Ziele, die ich mir für den Jahresbeginn ohnehin gesetzt hatte. Denn in den vergangenen Jahren haben Corona-Frust und Trainingsflaute sich auf der Waage und in meiner Psyche bemerkbar gemacht. Ich willigte also ein, erst einmal ohne Medikamente zu versuchen, meinen Blutdruck zu senken. Seit Januar zähle ich wieder akribisch Kalorien – eine Methode, mit der ich 2018 schon einmal stattliche 8kg abgenommen hatte. Ich achte darauf, jeden Tag mehr Kalorien zu verbrennen als ich aufnehme. Ich trinke keinen Alkohol mehr (Ausnahme: Besuch der Norderneyer Inselbrauerei während unseres Urlaubs, denn die gehört einem Studienkumpel von Christoph, den er seit ungefähr 20 Jahren nicht gesehen hatte…) und plane jeden Tag ein Pensum von mindestens 30 Minuten sportlicher Bewegung ein.
Neue Erkenntnis: Arbeiten und längere Sitzphasen tun meinem Blutdruck nicht gut
Und natürlich messe ich regelmäßig meinen Blutdruck und dokumentiere alles in einer weiteren App (die die Messdaten übrigens via Apple Health mit mySugr synchronisiert, weswegen ich diese App auch unabhängig von meinem Testlauf mit dem digitalen Insulinpen Tempo Smart Button aktuell wieder in Betrieb habe): nicht nur morgens nach dem Aufwachen, sondern auch im Tagesverlauf. Nicht immer megastrukturiert, aber immerhin mehrmals täglich. Die erschreckende Erkenntnis lautet: Arbeiten tut meinem Blutdruck nicht gut, denn nach längeren Sitzphasen sind die Werte eher mal erhöht als zu anderne Tageszeiten. Noch nicht dramatisch hoch, aber eben doch oberhalb des für Menschen mit Diabetes empfohlenen Maximalwerts von 135/85 mm Hg. Puh.
Der Vormittag ist nun für Bewegung und Sport reserviert
Seit dieser Erkenntnis versuche ich nun, lange Schreibtischtage zu vermeiden und jeden Vormittag, wenn der Blutdruck am ehesten zum Anstieg neigt, mein Bewegungspensum einzuplanen. Der späte Vormittag kommt mir auch vom Biorhythmus her für Sport entgegen. So habe ich z. B. 2018 (als ich nicht nur so erfolgreich abgenommen, sondern auch für meinen ersten Halbmarathon trainiert hatte) immer gern vormittags trainiert, um mich dann zufrieden ab Mittag an den Schreitisch zu setzen und konzentriert bis zum Abend durchzuarbeiten. Als Freiberuflerin kann ich mir meine Arbeitszeit ja zum Glück frei einteilen. Diesen Rhythmus gewöhne ich mir derzeit wieder an. Und da ich in den vergangenen paar Jahren eher zu viel als zu wenig gearbeitet habe, möchte ich auch meine Arbeitszeit zumindest ein wenig reduzieren, auch wenn ich dafür den einen oder anderen Auftrag auch mal ausschlagen muss. Mittlerweile gelingt es es mir, den Blutdruck im Zaum zu halten: Ich messe fast ausschließlich Werte im optimalen bzw. Normalbereich, nur selten mal einen Normalwert am oberen Ende. Außerdem habe ich seit Beginn meines disziplinierten Programms immerhin schon 1,5kg abgenommen.




Bitte Kanister vollpinkeln und zur Laboruntersuchung mitbringen!
Ob das alles ausreicht, wird nun ein Check beim Nierenspezialisten (Nephrologen) ergeben. Dort habe ich mir schon vor Wochen zwei braune Plastikkanister à 3 Liter Fassungsvermögen abgeholt, in denen ich morgen 24 Stunden lang meinen gesamten ausgeschiedenen Urin sammeln und in die nephrologische Praxis mitnehmen werde. Ich gehe mal davon aus, dass ein Kanister ausreichen wird, aber da wirklich jedes Tröpfchen zählt, hat man mir vorsichtshalber einen zweiten Kanister mitgegeben. Zusammen mit ausführlichen Erläuterungen zum Auffangen und Zwischenlagern (kühl lagern, kellerkalt reicht aber) des Sammelurins. Morgen dreht sich für mich also alles um die gewissenhafte Urinsammlung. Mein Urin wird dann aufwändiger untersucht als das in der Diabetespraxis beim Routine-Check möglich ist. Außerdem wird mir für weitere Laboruntersuchungen Blut abgezapft, und ich muss von Donnerstag auf Freitag noch einmal eine 24h-Blutdruckmessung über mich ergehen lassen.
Je näher der Termin rückt, umso mulmiger wird mir. Doch ich versuche, zuversichtlich zu bleiben und mir zu sagen, dass ich mit meinem aktuellen Kurs meiner Gesundheit so oder so einen großen Gefallen tue. Und möglicherweise entpuppt sich dann alles als böser Spuk, und es ist weder Eiweiß im Urin zu finden, noch kratzen die Blutdruckwerte an oder oberen Marke. Heute in einer Woche erfahre ich vom Nephrologen dann, was bei all den Untersuchungen herausgekommen ist. Bitte drückt mir die Daumen, dass sich nichts Gravierendes ergibt!
17. März 2023 um 12:40
Liebe Antje, es tut mir sehr leid, dass Du schlechte Nierenwerte und zu hohen Blutdruck hast. Und das fiese ist, je mehr Du Dich deswegen stresst, desto schwieriger ist entspannen. Du scheinst ja gerne zu experimentieren. Kennst Du die Buteyko Atemtechniken? Buteyko war ein Arzt, der beobachtet hat, dass viele Menschen zu viel atmen (die Details warum lasse ich jetzt weg) und hat Atemtechniken entwickelt, um dies zu ändern. Zu viel Atmen führt unter anderem zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Es gibt gute Bücher von Silvia Smolka oder Ralph Skuban. Kann man alleine üben oder mit einem Therapeuten. Alles gute und viel Glück, Nanette
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17. März 2023 um 12:54
Liebe Nanette, vielen Dank für deine guten Wünsche! Das klingt tatsächlich interessant, ich werde mir die Autor*innen mal notieren. Erstmal warte ich die Ergebnisse nächsten Dienstag ab, ob es nur ein einmaliger Ausrutscher war oder irgendetwas Ernstes dahintersteckt. Sollte der Blutdruck immer noch zu hoch sein, entwerfe ich einen neuen Schlachtplan… Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Antje
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