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Wechselzeiten: Eine Doku weckt Erinnerungen an meinen ersten Triathlon

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Im Sommer 2014 lief im Abaton-Kino den Dokumentarfilm „Wechselzeiten“, der vier Rookies auf dem Weg zu ihrem ersten Triathlon 2013 begleitete. Mich begleitete 2013 zwar kein Filmteam, doch auch für mich war im Sommer 2013 Premiere in Sachen Triathlon. Ich freue mich riesig, dass dieser Film nun auf DVD erschienen ist und mich an meinen ersten Triathlon erinnert!

Auf dieses Päckchen habe ich mich nun schon eine ganze Weile gefreut, gestern kam endlich die DVD mit dem Dokumentationsfilm „Wechselzeiten“ an. Zum Glück hatten außer mir offenbar eine ganze Menge mehr Menschen Interesse daran, die Produktion dieser DVD via Crowdfunding zu unterstützen. Der Dokumentationsfilm fasst zusammen, was der Regisseur Guido Weihermüller und sein Filmteam erlebt haben, als sie im Frühjahr 2013 über einen Zeitraum von zwölf Wochen ein Trainingsprogramm für Triathlon-Anfänger (im Sportler-Jargon „Rookies“ genannt) begleiteten und der Frage nachgingen, was die Menschen antreibt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Im Mittelpunkt des Films stehen vier sehr unterschiedliche Frauen, die jede auf ihre Art versuchen verschiedene innere und äußere Widerstände zu bezwingen, die gar nicht unbedingt mit dem sportlichen Ereignis selbst zu tun haben.

Wechselzeiten_Filmplakat

Der perfekte Trigger für Triathlon-Adrenalin und Herzklopfen

Für mich war es im vergangenen Sommer ein besonderes Erlebnis, das filmische Ergebnis „Wechselzeiten“ zu sehen, denn zeitgleich mit den Rookies aus dem Film hatte auch ich auf den Hamburg Triathlon am 21. Juli 2013 hintrainiert und –gefiebert, mich gelegentlich wegen meiner Schnapsidee selbst verflucht. Und auch ich war am Ende dann euphorisch über den Hamburger Rathausmarkt ins Ziel gelaufen. Wer das einmal erlebt hat, kann vielleicht verstehen, warum ich sofort Gänsehaut hatte, als im Film Hubschrauberaufnahmen vom Aufbau der Wechselzone mit ihren blauen Teppichen gezeigt wurden. Dieses Blau… es macht mich nach wie vor schlagartig kribbelig, triggert Triathlon-Adrenalin und Herzklopfen, ebenso wie der Song „Wake me up“ von Aloe Blacc, der bei meinem Schwimmstart in 2013 in einer fetzigen Disco-Version gespielt wurde, um uns Startern so richtig einzuheizen.

Über meine persönlichen Erfahrungen mit Schwimmen, Radeln, Laufen und Zuckerbalancieren habe ich seinerzeit als Gastbloggerin bei Ilka und Finn berichtet. Und weil ich dank der DVD „Wechselzeiten“ nun so schön in Erinnerungen schwelge, könnt ihr meinen Bericht hier auch nachlesen.

Am 21. Juli 2013 bin ich in Hamburg bei meinem ersten Jedermann-Triathlon  über die Sprintdistanz angetreten. 500 Meter Schwimmen in der Alster, 20 Kilometer Radfahren, 5 Kilometer Laufen. Jede Disziplin für sich genommen, nichts Schlimmes – aber in der Summe direkt hintereinander weg dann doch nicht zu verachten. In einem Anfall von Leichtsinn hatte ich mich vergangenen Sommer mehr oder weniger breitschlagen lassen, am Triathlon teilzunehmen. Kneifen gildet nicht, also habe ich seither mein Training ausgebaut. Zu meinem normalen Sportprogramm mit Tanzen, Krafttraining und gelegentlichem Schwimmen und Laufen ohne Puls und Uhr im Blick kamen also etwas längere Läufe (das ist für mich alles über 3,5km) und Radtouren hinzu. Auch Volksläufe wie der Itzehoer Störlauf (10 Kilometer), der Lauf zwischen den Meeren mit unserem Diabetes-Laufteam „Powered by Insulin“ (meine Etappe: 9,1 Kilometer)  und der Women’s Run (8 Kilometer) zusammen mit Ilka gehörten zur Vorbereitung.

Außerdem genaue Beobachtung, wie sich mein Blutzucker beim intensiveren Training verhält. Für mich als Typ-1-Diabetikerin kommt ja eigentlich zum Schwimmen, Radfahren und Laufen das Blutzuckermanagement als vierte Disziplin hinzu. Interessante Feststellung im Verlauf der Monate: Je besser ich im Training bin, desto weniger Kohlenhydrate muss ich bei oder nach sportlicher Belastung nachladen. Und so beschloss ich, für den Wettkampf nicht einmal mein Basalinsulin (ich spritze 1x täglich abends 12 Einheiten Lantus) zu reduzieren. Lantus lässt sich nicht im Tagesverlauf flexibel dosieren, was bei anstrengenden Sporteinheiten stört, weil man gegen das noch konstant wirksame Insulin anessen muss. Da ich aber keine nächtlichen hohen Werte riskieren wollte und bislang im Training alles immer im Rahmen geblieben war, ohne Unterzuckerungen, verzichtete ich auf Experimente und beließ es bei meiner gewohnten Dosis Lantus.

Aus sportlicher Sicht war ich nicht perfekt, aber auch nicht ganz schlecht vorbereitet. Mein Ziel: Durchkommen in einer Zeit zwischen 2:00 und 2:15 (17-20 Minuten Schwimmen, 55 Minuten Rad, 35-40 Minuten Laufen, plus Wechselzeiten) mit ordentlichen Blutzuckerwerten. Kurz vor dem Start im letzten Block der Sprinter um 11:28 Uhr am Alsteranleger hatte ich einen BZ von 144 und habe vorsichtshalber noch ein bisschen Banane und Traubenzucker gegessen. Als ich an der Kante zur 24 Grad warmen Alster saß, vor mir die Boje, die ich umrunden sollte und hinter mir laute Aufputschmusik, war ich höllisch aufgeregt und mein Puls raste, obwohl ich mich sonst nicht so leicht verrückt machen lasse. Erst als ich die Boje zur Hälfte erreicht hatte, legte sich die Aufregung und ich konnte normal und gleichmäßig schwimmen und atmen. Um mich herum kein Gewusel, weil fast alle deutlich schneller als ich waren. Am Ausstieg am Rathausmarkt wurde ich von meinem Mann Christoph und einigen weiteren Freunden empfangen, die mich mächtig anfeuerten. Barfuß über den blauen Teppich in die Wechselzone zu traben war schön, ich fühlte mich richtig beschwingt. So beschwingt, dass ich glatt bis zu Wechselplatz Ö60 gelaufen war, bis mir einfiel, dass meine Sachen ja bei Ö18 lagerten… 😉 Fix umgekehrt, kurz abgetrocknet, Socken und Laufschuhe angezogen, Blutzucker gemessen: 165 mg/dl. Da hatten wohl Aufregung und Adrenalin ihre Finger mit im Spiel, normalerweise hätte ich einen Wert um die 110 mg/dl erwartet. Machte aber nichts, ersparte mir das Carbo-Loading in der Wechselzone vor dem Start der Radtour, für das ich mir Corny-Müsliriegel bereit gelegt hatte.

Mein Fahrrad, das ich mir als sportlichere Alternative zu meinem schweren Mutti-Fahrrad mit Einkaufskorb erst vor ein paar Wochen bei dem netten Startup Kreativrad.de aus Lüneburg konfiguriert hatte, war mit einer Flasche Apfelschorle mit einer Prise Salz (2KE) und einem Täschchen mit unzähligen Täfelchen Traubenzucker und Dextro-Gel ausgestattet. Auf ging’s über den Holstenwall Richtung Reeperbahn, Elbchaussee, Wendepunkt Teufelsbrück und wieder zurück. Hinter mir kamen nur noch wenige Radfahrer, zu den Fahrern vor mir hatte ich gehörigen Abstand. Also gab es kein Gedrängel, kein Kurvenschneiden der schnittigen Carbonradler, kein versehentliches Windschattenfahren… es hat Vorteile, wenn man langsamer als der Durchschnitt unterwegs ist! 🙂 Beim Radfahren störten die hohen Temperaturen nicht, ich machte mir nur ein bisschen Sorgen um meine Haut, die trotz Sonnenmilch mit Faktor 30 schon etwas gerötet war.

Zurück in der Wechselzone hieß es, den Fahrradhelm ab- und ein Käppi aufzusetzen – und natürlich den Blutzucker zu messen. Ich hatte beim Fahren fast meine ganze Flasche Apfelschorle leergetrunken und lag bei einem BZ von 134. Vor dem Laufen spülte ich also eine halbe Packung (knapp 2KE) Dextro-Gel (das mit Espresso-Geschmack, schmeckt nicht so widerlich wie die ganzen künstlichen Orangenaromen, sondern tatsächlich nach einem Espresso mit seeeehhhhrr viel Zucker drin)  mit Wasser runter und auf ging’s. Es war heiß, meine Beine wollten nicht laufen. Schon als ich die Wechselzone hinter mir gelassen hatte, hatte ich keine Lust mehr. Ich bin nicht der Typ Mensch, der Freude daran hat, sich beim Sport richtig böse und schmerzhaft zu quälen. Also legte ich etliche auch längere Gehpausen ein, am liebsten dort, wo kein Publikum an der Strecke war. Immer noch heiß. War da nicht von einer schattigen Laufstrecke die Rede gewesen? Bisschen blödes Gefühl, wenn man sich die Strecke entlang quält, wo die Streckenposten schon gelangweilt auf die Uhr schauen und endlich das Flatterband einrollen wollen. Im letzten Moment riefen sie dann doch immer noch „super, klasse, du hast es gleich geschafft!“.

Ich hätte den Wechsel vom Rad zum Laufen wohl häufiger trainieren sollen. Mehr längere Strecken laufen sollen. Mich nicht anmelden sollen. Hätte hätte hätte. Ich wusste, das ist jetzt ne reine Kopfsache… und nen Kopf habe ich doch, sogar einen ziemlich dicken. Dann war der Jungfernstieg in Sichtweite, nur noch wenige 100 Meter, wieder mehr Publikum an den Absperrungen. Einen Sprint beim Zieleinlauf auf dem Rathausmarkt wollte ich mir nicht nehmen lassen, dafür hatte ich mir noch ein paar Reserven gelassen. Ich mag es sowieso nicht, mich restlos zu verausgaben, weil man ja nie weiß, was man als nächstes vielleicht noch zu erledigen hat, das auch noch ein bisschen Kraft fordert. Ziel. Geschafft. Christoph oben auf der Tribüne war offenbar etwas verdutzt, als ich vorbeirannte, weil er erst etwas später mit mir gerechnet hatte. Aber den Schlusssprint hat er doch mit der Kamera festgehalten. Schnell Wasser trinken. Blutzucker messen (Christoph hatte ein zweites Accu-Chek Mobile Messgerät in seinem Rucksack, das andere lag ja noch in der Wechselzone bei meinen anderen Utensilien): 193 mg/dl. Ui, so hoch, ob das der Sprint am Schluss war? War ich da in den anaeroben Bereich geraten, der eine Adrenalinausschüttung auslöst und damit einen Blutzuckeranstieg statt -abfall? Ein alkoholfreies Erdinger Weizen musste trotzdem sein. Ahhhhh…

Der Rest des Tages war ein Lehrbuchbeispiel dafür, wieviel Zucker sich der Körper zieht, wenn die Glykogenspeicher leer sind. Ein gute Stündchen nach dem Zieleinlauf lag mein BZ – Erdinger sei dank – noch bei 235 mg/dl und damit bei einem Wert, mit dem ich ungern lange rumlaufe. Ich korrigierte ihn mit 2 Einheiten Insulin und spritzte auch für das anschließende leckere Essen im syrischen Restaurant Saliba  in den Alsterarkaden (Entenbrust mit Gemüse, Aprikose und Basmatireis, übrigens mit hervorragendem Blick auf die Mixed Team Sprintstaffel der Profis, die gerade am Start war ), wenn auch weniger Einheiten als ich normalerweise für diese Schlemmereien gespritzt hätte. Die Quittung bekam ich beim Spaziergang zurück zum Auto, das wir etwa eine halbe Stunde zu Fuß entfernt geparkt hatten. Auf einmal fühlte ich mich flau, maß den Blutzucker und lag bei nur 60 mg/dl. Corny Müsliriegel (1,3 KE) und Apfelschorle (2KE) schafften es auch nur, den BZ wieder auf 80 ansteigen zu lassen. Noch ein Riegel (1,7 KE) und ich landete bei 88 mg/dl. Zum Abendessen gab es Eiweißpfannkuchen mit Erdbeeren und Sahne ohne Insulinbegleitung, zum Schlafen lag der BZ dann endlich bei sicheren 124 mg/dl. Die Korrektur des hohen Wertes nach dem Zieleinlauf hätte ich mir definitv schenken können, und auch das Essen im Saliba hätte ich deutlich niedriger berechnen können. Wer mit diesem ganzen Diabetiker-Sprech nichts anfangen kann, dem sei nur gesagt: So ein Triathlon zieht mächtig Zucker! 🙂

Ob ich nochmal so einen Triathlon in Angriff nehmen werde, weiß ich heute noch nicht. Aber sportlich aktiv werde ich definitiv bleiben, deshalb werde ich im nächsten Schritt mit meinem Diabetologen die Umstellung auf ein anderes Basalinsulin (Levemir) besprechen, das ich besser an den geringeren Insulinbedarf beim Sport anpassen kann.

Ach ja, meine genauen Zeiten habe ich dann später auf meiner Medaille nachgelesen: Schwimmen 16:42, Radfahren 49:31, Laufen 36:22 Minuten, insgesamt 1:56 h. Da war ich dann doch sehr erstaunt: Beim Schwimmen und Radfahren war ich schneller als ich es im Training jemals gewesen war, und beim Laufen hätte ich angesichts der vielen Gehpausen mit mehr als 40 Minuten gerechnet. In der Wechselzone habe ich einmal gut 7 und einmal gut 5 Minuten gebraucht. Blutzucker-Messen braucht eben Zeit, da ist nix zu machen. Aber wäre ich beim ersten Wechsel nicht an meiner Box vorbeigelaufen… Hmmm, ich weiß nicht, was das bedeutet, wenn ich mir nun Gedanken darüber mache, an welchen Stellen ich mit welchem Aufwand wohl Training und Ergebnis optimieren kann?

3 Kommentare zu “Wechselzeiten: Eine Doku weckt Erinnerungen an meinen ersten Triathlon

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