Es hat einen Grund, dass ich in den vergangenen Wochen nicht so häufig hier gebloggt habe wie sonst. Ich habe nämlich intensiv an meinem Buch gearbeitet und letztlich exakt heute das Manuskript fertiggestellt und an den Kirchheim-Verlag gemailt. Ein Glas Rotwein habe ich bereits intus, ein weiteres steht gerade neben mir. Und jetzt erzähle ich euch ein bisschen, wie das so war in den letzten Phasen der Buchschreiberei.
Manche von euch haben vielleicht gar nicht mehr geglaubt, dass ich dieses so oft angekündigte Portrait-Buch zum Thema „Diabetes und Angehörige“ tatsächlich einmal fertigstellen würde. Und so langsam waren mir die regelmäßigen Fragen à la „Was macht dein Buch?“ auch ein bisschen peinlich und lästig geworden. Sie fühlten sich ungefähr so an wie die Frage: „Was macht dein Blutzucker?“ Der ist schließlich auch so eine nicht enden wollende Geschichte und ebenfalls gut geeignet, bei Nachfragen spontan ein diffus schlechtes Gewissen (wofür auch immer) auszulösen.
Nicht lange zögern, einfach loslegen und machen!
Wie dem auch sei, es hat eben lang gedauert mit meinem Buch. Das liegt zum einen daran, dass ich generell dazu neige, den Arbeitsaufwand von Projekten zu unterschätzen. Mein Mann Christoph (ich hoffe mal ganz stark, dass er damit einverstanden ist, dass ich das hier ausplaudere) bewundert mich sogar ein bisschen für diese Eigenschaft. Denn sie führt dazu, dass ich bei den meisten Dingen nicht lange zögere, sondern erst einmal loslege. Ist doch alles ganz easy zu machen, warum also nicht einfach starten? Erst später stelle ich dann fest, dass mich die Aufgabe doch wesentlich mehr Zeit kostet als gedacht. Doch dann bin ich schon mittendrin, mache keinen Rückzieher mehr und beiße mich halt durch. Das findet Christoph oft ganz schön cool von mir.
Eine Wäschekorb-Stunde = zwölf Minuten ungeliebte Hausarbeit
Er selbst zum Beispiel geht manchmal ganz anders an Aufgaben heran (räusper… ich meine hierbei vor allem Aufgaben im Haushalt, denn wie er seine Zeit im Büro managt, kann ich nur schwer beurteilen). Er überschätzt intuitiv den Arbeitsaufwand, der mit ihnen verbunden ist – und schiebt sie dann gern mal vor sich her, weil er einfach nicht die veranschlagte Zeit für sie findet. Einer unserer Running Gags ist zum Beispiel das Thema „Wäsche falten“. Als wir uns noch nicht so lange kannten, wunderte ich mich mal, warum bei ihm Wäschekörbe voll mit gewaschener und getrockneter Wäsche so lange herumstehen, bis er den Inhalt einfach mal faltet und wegräumt. „So ein Korb Wäsche ist eine Stunde Arbeit!“, lautete seine Antwort, „ich mache das, wenn ich Zeit dafür habe!“ Ein Korb Wäsche = eine Stunde Arbeit? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Gleichung aufgeht. Ein paar Minuten pro Korb, mehr Zeit kostet das doch nicht! Ich machte mich ans Werk und faltete im Eiltempo. Zwölf Minuten pro Wäschekorb brauchte ich und betrachtete seine steile These als widerlegt. „Eine Wäschekorb-Stunde“ ist seither bei uns eine gültige Maßeinheit für den Zeitaufwand, den eine ungeliebte kleine Aufgabe von etwa zwölf Minuten erfordert.
Vier Buch-Monate = knapp zwei Jahre Kalenderzeit
Nachdem nun mein Buchprojekt endlich auf der Zielgeraden ist, sollten wir vermutlich eine weitere Zeiteinheit einführen. Wir können sie vielleicht „Buch-Monate“ taufen. Denn als ich vor knapp zwei Jahren konkret damit anfing, an meinem Buch über die Herausforderungen, vor die eine Diabetes-Diagnose Lebenspartner und Angehörige stellt, zu arbeiten, ging ich von einem absolut überschaubaren Zeitaufwand aus: Ich mache mich schlau, wie man ein Buch-Exposé schreibt. Dann schreibe ich ein gutes Exposé. Ich recherchiere eine möglichst umfangreiche Liste potenziell geeigneter Verlage für mein Buch. Dann schicke ich das Exposé an diese Verlage und hoffe auf mindestens eine Zusage. Wenn ich eine gute Zusage habe, spreche ich mit potenziellen Experten und suche Familien und Paare für meine Interview und Portraits. (Meine Vorstellung war: Dieser Part lässt sich problemlos binnen zwei Wochen neben der regulären Arbeit erledigen.) Dann vereinbare ich Interview-Termine und klappere alle Familien und Paare der Reihe nach ab. (Hierfür veranschlagte ich optimistisch zwei Wochen reine Arbeitszeit.) Anschließend muss ich mich nur noch für ein verlängertes Wochenende (!!!) in mein Kämmerchen einschließen und alles runterschreiben. Zum Schluss Abstimmung mit den interviewten Familien und Paaren, Abstimmung der Expertenkommentare, Abstimmung mit dem Verlag (das sollte alles innerhalb von zwei Wochen neben der regulären Arbeit zu machen sein). Ich ging wirklich allen Ernstes davon aus, dass das gesamte Projekt innerhalb von vier Monaten zu wuppen sei. Wir müssen nur einen Blick in den Kalender werfen um zu sehen, dass ich mich damit ganz gründlich verhauen habe. Vier Buch-Monate unserer neuen Zeiteinheit entsprechen damit knapp zwei Jahren Kalenderzeit. Und das, obwohl es sich gar nicht um eine ungeliebte Aufgabe wie Wäschefalten handelte, sondern um ein ganz echtes Herzensprojekt!
Fünf gewichtige Gründe, warum ich so lange für mein Buch gebraucht habe
Was also hat die Sache so schwierig gemacht? Dafür muss ich nun mit einem dritten Glas Rotwein und einem Glas vernünftigem Begleitwasser (ihr wisst schon: ich würde gern den morgigen Kater vermeiden) ausholen.
- Es war weniger leicht als gedacht, einen Verlag für mein Projekt zu finden. Man sollte doch meinen, dass es bei 8 Millionen Diabetikern allein in Deutschland, die allesamt Familie und Freunde haben, einen akzeptablen Markt für ein Buch für die Angehörigen von Menschen mit Diabetes gibt. Und dass ein x-beliebiger Ratgeber-Verlag das auch erkennen wird. War leider nicht so. Die meisten Verlage lehnten mein Exposé ab. Mal mit Verweis auf andere Diabetes-Titel, die sie bereits in Planung hatten, mal aus anderen Gründen. Ein Verlag wollte das Portrait-Buch gern bringen – aber nur, wenn ich mich vorab als Diabetes-Expertin zum Youtube-Star mausere und neben den Portraits auch die Lieblings-Kochrezepte der jeweiligen Familien und Paare bringe. Und das, wo ich doch so gar nicht auf Video-Content stehe! Passte leider nicht zu mir und meiner Idee. Zum Glück konnte ich mit dem Kirchheim-Verlag dann genau den Verlag für mein Projekt begeistern, der in der Diabetes-Szene bestens etabliert ist, weil er neben dem Diabetes Journal und diversen Fachzeitschriften, unzähligen Diabetes-Büchern und dem Online-Portal Blood Sugar Lounge auch diverse Schulungsmaterialien zum Thema Diabetes herausgibt. Bingo.
- Es war deutlich schwieriger als gedacht, für all meine geplanten Themen Interviewpartner zu finden. Bei früheren Recherchen hatte ich mich darauf verlassen können, dass ich via Facebook in den einschlägigen Gruppen mit wenigen Klicks eine ganze Reihe von Interessierten finden kann, die bereit sind, über bestimmte Facetten des Typ-1-Diabetes mit mir zu sprechen. Doch für Betroffene mit Typ-2-Diabetes funktionierte das einfach nicht. Dennoch wollte ich gern eine ganze Reihe Angehörige von Menschen mit Typ-2-Diabetes kennen lernen, weil sich mein Buch an beide Diabetestypen richten sollte. Schließlich unterscheiden sich die Sorgen und Ängste von Angehörigen nicht wesentlich, ob es sich nun um Typ-1- oder Typ-2-Diabetes handelt. Viel zu spät kam ich auf die Idee, klassische Selbsthilfegruppen anzusprechen um dort nach geeigneten Paaren und Familien zu fahnden. Sollte ich noch einmal ein vergleichbares Buch schreiben wollen – beim nächsten Mal habe ich Selbsthilfegruppen auf dem Schirm! Bei diesem Buch jedenfalls haben letztlich mein Diabetologe und einer der beiden Experten Kontakt zu den fehlenden Interviewpartnern hergestellt – eine Recherche-Hilfe, für die ich ihnen sehr dankbar bin.
- Es gab lange keinen festen Abgabetermin für mein Manuskript. Als ich mit dem Kirchheim-Verlag meinen Vertrag abschloss, entschieden wir uns ganz bewusst gegen eine fixe Deadline, denn manche Punkte erschienen uns schlicht als zu wenig vorhersehbar. Immerhin waren noch nicht alle Interviewpartner gefunden. Mein normales Arbeitsleben musste während des Buchschreibens weiterlaufen. Und ein gutes Endergebnis ist wichtiger als ein bestimmter, eilig erreichter Erscheinungstermin. Trotzdem ging ich davon aus (und erzählte es auch allen, die mich danach fragten), dass mein Buch „bis Ende 2016“ und dann später „noch im ersten Halbjahr 2017“ herauskommen würde. Eigentlich ein toller Plan. Doch wenn es keine fixe Deadline gibt, dann gibt es halt keine fixe Deadline. Und dann kommen Aufträge dazwischen, die einen festen Abgabetermin haben und die ich deswegen ganz kurz einmal vorziehe. Immer wieder übrigens. Deshalb war ich sehr froh, als der Kirchheim-Verlag und ich uns bei einem Treffen am Rande der DDG-Jahrestagung im Mai dann doch auf „Ende September 2017“ als Abgabetermin für mein fertiges Manuskript einigten. Denn eine Deadline ist eben eine Deadline, die nehme ich auch ernst. Und um sie zu halten, schlug ich diesen Sommer auf einmal eine ganze Reihe anderer Aufträge aus, die mir ansonsten abermals dazwischengefunkt hätten. Gut, dass wir diese Deadline irgendwann vereinbart haben – auch wenn ich sie nun abermals um zwei Wochen überziehen musste.
- Es gab mit meiner eigenen Schilddrüsen-Diagnose unvorhergesehene Hindernisse. Im Frühjahr 2017 erfuhr ich, dass sich zu meinem Typ-1-Diabetes offenbar auch eine autoimmun bedingte Schilddrüsenerkrankung gesellen möchte. Wie es derzeit aussieht, läuft alles auf eine Hashimoto-Thyreoiditis hinaus. Die Erkenntnis, dass nach meiner Bauchspeicheldrüse nun auch noch ein weiteres Organ seinen Geist aufgeben möchte, stimmte mich zeitweilig ein wenig traurig. Vielleicht waren meine Frustration und meine depressiven Stimmungsschwankungen ja auch noch anderen Hormonschwankungen geschuldet – immerhin bin ich 47 Jahre alt und damit eine heiße Kandidatin für die Wechseljahre. Welche Hormone auch immer da im Spiel waren – wirklich förderlich für meine Arbeitsmoral waren sie nicht.
- Es fiel mir zum Teil unglaublich schwer, die Portraits zu schreiben. Etliche der persönlichen Geschichten, die ich in meinem Buch erzähle, haben mich emotional sehr mitgenommen. Wenn man (wie ich) erst spät mit ziemlich guter Diabetes-Vorbildung seine Diagnose erhält und zudem einen wundervollen Lebenspartner und eine tolle, unterstützende Familie an seiner Seite wissen darf, dann ist es für alle Beteiligten vergleichsweise leicht, den Diabetes anzunehmen und in den Alltag zu integrieren. Im Zuge meiner Interviews habe ich aber auch Paare und Familien kennen gelernt, die deutlich ungünstigere Startvoraussetzungen für ihre Diabetes-Karriere hatten und denen genau das erheblich schwerer fiel. Denen von Behörden oder Krankenkassen fiese Steine in den Weg gelegt wurden, bei denen der Diabetes schier unüberbrückbare Beziehungsdifferenzen zutage förderte, die mit Ehescheidung, dramatischen Folgeerkrankungen oder Mehrfachbehinderungen klarkommen müssen. Begegnungen, die mich unendlich traurig gestimmt haben und nach denen ich lange und immer wieder mit Christoph und anderen vertrauten Menschen sprechen musste, um das Erlebte zu verarbeiten und einzuordnen. Aber auch andere Begegnungen, die mich beseelten und begeisterten, weil es trotz aller Probleme auch ganz viele Menschen gibt, die diese Herausforderung namens Diabetes so wunderbar meistern, dass man der ganzen Welt zurufen möchte: „Schaut her, so soll es sein!“ Es war bei allen Portraits mein ganz fester Vorsatz, nicht Partei für die eine oder andere Seite zu ergreifen, sondern einfach zu schildern, was ist und wie die Betroffenen die Situation erleben. Mich in alle Beteiligten einzufühlen und möglichst genau zu verstehen, was sie zu ihrem Verhalten und zu ihrer Sicht auf die Dinge treibt. Dem Vertrauen gerecht zu werden, das sie mir entgegengebracht haben. Und genau das ist manchmal überhaupt nicht einfach. In meinem normalen Arbeitsleben kostet mich ein Text von drei Seiten Umfang selten mehr als ein paar Stunden Arbeit, wenn ich zuvor gut recherchiert habe. Bei meinen Portraits habe ich zum Teil tagelang gerungen, bis ich meine Gedanken und Notizen sortiert und einen Text von zwei bis drei Seiten Umfang verfasst hatte. Und zwischendurch fühlte ich mich manchmal einfach emotional erschöpft. Ich bin keine Psychologin und habe diese Sache mit der professionellen Distanz nie gelernt. In meinen Gesprächen, die ich für mein Buch mit Familien und Paaren führte, gab es viele Situationen, die mir signalisierten, dass ich durch mein Interview psychologisch relevante Gespräche und Gesprächsprozesse angestoßen hatte, die sonst nie stattgefunden hätten. Zeitweilig fühlte ich mich, als steckten wir mitten in einer Gruppentherapie-Sitzung, für die ich als Mediatorin zumindest formal nicht qualifiziert war. Ich hörte zu, schaute alle Beteiligten an und bat sie zu erzählen. Fragte nach und versuchte zu verstehen, ohne zu bewerten. Vielleicht war es ungefähr das, was eine Psychologin in einer Sitzung auch tut – doch anders als eine ausgebildete Psychologin es (vermutlich!) kann, gelang es mir nicht, nach einer solchen Begegnung bewusst abzuschalten und ausschließlich professionell analytisch vorzugehen. Ich war einfach mittendrin. Ich konnte vieles vielleicht auch deshalb gut nachfühlen, weil ich selbst eben auch Typ-1-Diabetes habe. Ich weiß, wie es ist – und so vieles wusste ich dennoch nicht. Es fiel mir schwer, all das in Worte zu fassen, die später jemand kaufen und lesen mag und in denen sich die portraitierten Menschen auch wiederfinden.
„Ich wünschte, so ein Buch hätte es damals schon gegeben!“
Seit trotz der widrigen Umstände alle Portraits geschrieben sind, habe ich mich mit „meinen“ beiden Experten Dr. Jens Kröger und Prof. Bernhard Kulzer über ihre Kommentare ausgetauscht, mit denen die individuellen Portraits in einen etwas allgemeineren Zusammenhang gestellt werden. Wir haben die Kommentare weitgehend gemeinsam geschrieben. Beide Experten halten mein Buch für ein wichtiges Buch, was mich sehr glücklich und zuversichtlich stimmt. Ich habe eine Einleitung sowie Hintergrundkapitel und ein Glossar geschrieben, in denen Angehörige von Menschen mit Diabetes Informationen finden, die es ihnen als „Neulinge“ hoffentlich erleichtern, den Diabetes in ihren Familien- und Beziehungsalltag zu integrieren. Angetrieben hat mich dabei der Satz, den ich von vielen Interviewpartnern im Anschluss an unsere Gespräche gehört habe: „Ach, ich wünschte, so ein Buch hätte es schon gegeben, als wir seinerzeit mit der Diagnose Diabetes konfrontiert wurden.“
Es ist ein verdammt geiles Gefühl, ein Buchmanuskript abzugeben!
Ich hoffe wirklich, dass es ein Buch wird, das eine Lücke schließt. Und ich bin gespannt, was ihr alle von meinem Werk halten werdet. Jedenfalls ist mein Job nun im Wesentlichen getan. Nun gilt es, Fotos auszuwählen, Layouts zu begutachten, Bildunterschriften zu texten, über die Cover-Gestaltung zu diskutieren. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht genau, welche Schritte nun bis zur Drucklegung des Buchs noch folgen werden – es ist alles ein bisschen anders als das Zeitschriften-Business, mit dem ich bis dato vertraut bin. Doch eines kann ich heute (und nach mittlerweile vier Gläsern Rotwein und zu wenig vernünftigem Begleitwasser) sagen: Es ist ein verdammt geiles Gefühl, nach knapp zwei Jahren Arbeit ein Buchmanuskript abzugeben, mit dem man zufrieden ist.
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17. Oktober 2017 um 7:31
Herzlichen Glückwunsch! Ich denke eine tolle Leistung!
Halte uns bitte auf dem Laufenden, wenn dein Buch erscheint.
LG Alf
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