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Von wegen zuckerkrank – ein Blog über glückliches Leben, leckere Ernährung und Sport mit Typ-1-Diabetes

Meine bisher schlimmste Hypo… war nicht so schlimm, hat mich aber nachdenklich gemacht!

2 Kommentare

Erstmal eins vorweg, damit sich niemand unter meinen Leserinnen und Lesern unnötig Sorgen macht: Es geht mir gut, und auch während meiner Hypo vor ein paar Tagen beugte sich kein Rettungssanitäter über mich, denn ich lag weder krampfend auf dem Boden, noch war ich sonstwie außer Gefecht gesetzt.

Und trotzdem war es die bislang blödeste Hypo, die ich persönlich je erlebt habe. Deshalb möchte ich jetzt mal eine Runde „jammern auf hohem Niveau“. Und nachdenken darüber, wie es eigentlich Menschen mit Diabetes geht, die viel häufiger und dabei auch deutlich heftigere Hypos haben als ich.

Richtig Grund zu meckern habe ich mit meinem Diabetes eigentlich selten

Mir geht es insgesamt ja ziemlich gut mit meinem Diabetes: Ich neige nicht zu heftigen Blutzuckerschwankungen, habe kein nennenswertes Dawn-Phänomen und komme deshalb mit einer relativ simplen Therapie aus Insulinpen in Verbindung mit Glukosemessung mit dem Freestyle Libre super klar. Darüber hinaus spüre ich niedrige Glukosewerte, sobald sie unter ein Level von ca. 80–75 mg/dl sinken. Eine Hypo kann ich dann mit 10–20 Gramm schnellen Kohlenhydraten rasch abwenden, ohne dass es in einem Fress-Flash ausartet. Im schlimmsten Fall bin ich für 10 Minuten etwas flau im Magen, wackelig in den Knien und so durchgeschwitzt, dass ich unter die Dusche muss. Nicht schön, aber hey, so richtig Grund zum Meckern habe ich nicht. Mache ich deshalb auch nur selten.

Ein Abendspaziergang nach dem Essen führte schnurstracks in die Hypo

Aber vor ein paar Tagen hat mich eine Hypo mal für meine Verhältnisse ziemlich doll aus der Bahn geworfen. Mein Mann Christoph und ich hatten zu Abend gegessen und wollten danach noch eine Runde um den Block gehen, weil keiner von uns beiden sein tägliches Schritteziel erreicht hatte (Big Brother Fitbit lässt grüßen…). Klar, da wirkte noch der Bolus für das Abendessen – aber mal ehrlich, so ein paar gemächliche Schritte führen bei einem sportlichen Menschen wie mir doch nicht schnurstracks in eine Hypo? Tja, denkste. Als wir nach ca. 1,4 Kilometern Spaziergang die Fußgängerzone von Elmshorn erreicht hatten, bemerkte ich zum ersten Mal ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. So kündigt sich bei mir in der Regel eine Hypo an. Praktischerweise schlug Christoph, noch bevor ich mit meinem Gedanken fertig war, einen Abstecher in ein Café vor, das neuerdings auch abends mit Barbetrieb geöffnet hat. Einverstanden! Beim Bestellen am Tresen checkte ich meinen Glukosewert, der wie erwartet bei 78 mg/dl mit sinkender Tendenz (allerdings noch nicht stark fallend!) lag. Ich orderte ein alkoholfreies Bier, weil das einem Absacker am nächsten kam und außerdem ca. 18 Gramm schnellwirksame Kohlenhydrate enthält – also genau die Dosis, mit der ich meinen Zucker normalerweise wieder fix ins Lot bringen kann.

Abwarten, bis die Kohlenhydrate ankommen und die Körperpanik sich legt

Dieses Mal funktionierte das allerdings nicht so recht. Ich hing mehr als dass ich im Sessel saß und starrte apathisch vor mich hin, während Christoph mit den Getränken zum Tisch kam. people-3308747_960_720Das alkoholfreie Bier konnte meinen Schweißausbruch nicht mehr stoppen, das Freestyle Libre zeigte nun 55 mg/dl mit sinkender Tendenz an. Lanzette und Teststreifen für eine blutige Messung hatte ich für den kurzen Spaziergang natürlich nicht mitgenommen. Ich schwitzte vor mich hin und ermahnte mich, ruhig zu bleiben und einfach abzuwarten, bis die Kohlenhydrate ankommen und sich die Körperpanik legt. Auf einmal war ich unendlich müde und hätte auf der Stelle im Sitzen einschlafen können. Meine Zunge ließ sich beim Sprechen nur schwerfällig bewegen, und ich hatte den Eindruck, dass meine Sprache verwaschen klingt – ohne dass ich das irgendwie hätte beeinflussen können.

Die 1,4 Kilometer Heimweg erschienen mir endlos lang

Christoph und ich verbrachten insgesamt vielleicht 20 Minuten in der Bar. Wir sprachen kaum und wirkten auf Außenstehende bestimmt wie ein Paar, das sich nichts zu sagen hat und nur einen verzweifelten, aber erfolglosen Versuch unternimmt, einen netten Abend auswärts miteinander zu verbringen. Mein Zuckerwert kletterte nur langsam wieder in die Höhe, und mir graute vor dem Heimweg: 1,4 Kilometer zu Fuß bis nach Hause erschienen mir endlos lang. Bei stabilen 78 mg/dl starteten wir den Heimweg. Ich war immer noch unglaublich müde, wollte einfach nur schlafen, so schnell wie möglich. Meine Klamotten waren durchgeschwitzt und ich begann zu frösteln, denn die Sonne war inzwischen untergegangen, es wurde kühl.

Schnell nach Hause, in die Badewanne und ins Bett

Als wir auf dem Nachhauseweg eine Freundin trafen, die noch einmal mit ihrem Hund Gassi ging, geriet Christoph ins Schnacken und schien zu vergessen, wie schlecht ich mich gerade fühlte. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass er nicht von sich aus das Gespräch kurzhielt um mich auf schnellstem Weg nach Hause zu bringen. Irgendwann sagte ich kläglich: „Ich hatte eine Unterzuckerung, ich bin müde, mir ist kalt, ich will in die Badewanne und ins Bett!“ Auf den restlichen Metern musste ich tatsächlich noch ein wenig Traubenzucker einwerfen, weil mein Glukosewert wieder begann zu sinken. Zu Hause dann war alles wieder gut: Ich ließ mir eine Badewanne ein und ging gleich danach ins Bett. Vor dem Einschlafen musste ich noch einen kleinen Bolus spritzen, weil es in der Summe dann doch ein paar Gramm Kohlenhydrate zuviel gewesen waren.

Wieviel Lebensqualität geht Menschen durch Hypos bloß verloren?

alone-279080_960_720Christoph war nach diesem Abend nachdenklich: Das war nun wirklich noch keine dramatische Hypo gewesen, und doch hatte sie mich physisch und psychisch ziemlich runtergezogen. „Was bedeutet das nur für all die Menschen mit Diabetes, die häufigere und heftigere Hypos haben als du? Denen muss ja unglaublich viel an Lebensqualität verloren gehen!“ meinte er. Und genau diese Gedanken hatte ich auch. Wie oft habe ich schon von anderen gehört, die infolge einer Hypo bewusstlos werden, anfangen zu krampfen und am nächsten Morgen mit einem höllischen Muskelkater aufwachen – und einem Brummschädel, als hätten sie die ganze Nacht durchgesoffen. Ich fand diese Schilderungen immer gruselig, aber halt auf eine Weise gruselig, wie man aus der Ferne Dinge betrachtet, die man glücklicherweise selbst noch nie ansatzweise erlebt hat.

Ein klitzekleiner Eindruck davon, wie übel es einem mit Diabetes gehen kann

Nun hat mir meine schlimmste Hypo mit dieser verzweifelten Müdigkeit, mit diesem schrecklichen Gefühl von Verlorensein, einen klitzekleinen Eindruck davon verschafft, wie übel es einem mit Diabetes gehen kann. Ich habe einmal ein bisschen genauer durch das Loch im Zaun geschaut. Ich mache drei Kreuze, dass es bei mir bislang immer so glimpflich abgelaufen ist. Und habe seit diesem Erlebnis neulich aber nochmal deutlich größeren Respekt vor allen Menschen mit Diabetes, die böse Hypos haben und immer wieder ihr Krönchen zurechtrücken und weitermachen. Ihr seid so tapfer, aber kaum jemand nimmt groß Notiz davon…

2 Kommentare zu “Meine bisher schlimmste Hypo… war nicht so schlimm, hat mich aber nachdenklich gemacht!

  1. Pingback: Diabetes Typ F oder: Die Wahrheit hinter dem Satz „Wir schaffen das!“ | Süß, happy und fit

  2. Ich konnte deine Hypo-Erscheinungen genau nachfühlen. Dieses Gefühl der Kraftlosigkeit ist deprimierend! Ich glaube, jeder Hypo ist lebenseinschränkend! Dies können nur wir Betroffenen nachfühlen!

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