Es ist ja nicht so, dass ich schon seit Wochen diesem großen Datum entgegenfiebere. Auch am Jahrestag meiner Diabetesdiagnose war mir bislang nie so richtig nach Feiern zumute. Doch bis vor einer Weile dachte ich, dass ich den quasi runden Geburtstag doch sicher als bedeutsamen Tag empfinden würde. Doch nun haben wir eine Corona-Pandemie, die Welt steht quasi still, und ich habe keine Lust auf mein Diaversary.
Obwohl ich sicherlich nicht übermäßig gefährdet bin, mich zu infizieren und einen schweren Verlauf zu erleben, obwohl ich weiterhin Arbeit habe und meine Auftragslage unverändert gut ist, obwohl ich das Arbeiten im Home Office gewöhnt bin und sich eigentlich nur wenig an meinem Joballtag geändert hat, obwohl Christoph und ich uns gut vertragen und auch über Wochen der Zweisamkeit nicht schnell genervt voneinander sind… drückt mir Corona mittlerweile auf die Stimmung.
Innehalten und sich selbst beglückwünschen
Ich finde es zwar eigentlich toll, sich an seinen Diagnosetag zu erinnern. Anlässlich des Diaversary innezuhalten, mal das eigene Leben mit Diabetes Revue passieren zu lassen. Sich beglückwünschen zu lassen für das Durchhaltevermögen, das Diabetes einem im Alltag abverlangt. Deshalb mag ich auch die Idee des Projekts Diaversary so gern, an dem ich im Hintergrund seit ein paar Monaten mitarbeite, indem ich die eingehenden Diaversary-Texte redigiere und so einkürze, dass sie als Kurzportraits im Diabetes Journal veröffentlicht werden können.
Wegen Corona: Dieses Jahr keine DDG-Jahrestagung
Aber im Moment steht der Diabetes halt nicht sonderlich im Fokus. Und wenn, dann nur im Zusammenhang mit dem Coronavirus und Covid-19. So wurde der Jahreskongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) – eigentlich ein Pflichttermin für mich – vor ein paar Tagen abgesagt. Ich habe keine Sorge, dass ich deswegen weniger Arbeit habe, obwohl ich normalerweise etliche Tage vor Ort gewesen und für die Diabetes Zeitung und andere Kunden über die neuesten Entwicklungen und Diskussionen aus Forschung und Praxis berichtet hätte. Die Medien, für die ich schreibe, müssen ihre Seiten ja auch nach einem abgesagten Kongress irgendwie füllen und werden dabei sicherlich meine Unterstützung benötigen.
Auch wegen Corona: IDAA-Mitgliederversammlung abgesagt
Auch die jährliche Mitgliederversammlung der IDAA, die eigentlich am 16. Mai 2020 im Zusammenhang mit dem Itzehoer Störlauf hier bei uns in Schleswig-Holstein hätte stattfinden sollen, wurde mittlerweile abgesagt. Der Störlauf ist zwar noch nicht abgesagt, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitte Mai bereits wieder größere Sportveranstaltungen erlaubt sein werden. Insofern bin ich absolut einverstanden mit dem Votum des IDAA-Vorstands. Allerdings ist die Absage für mich besonders ärgerlich, weil ich als Regionalvertreterin für den Norden dieses Mal die Organisation übernommen hatte. Sprich: Hotelangebote einholen, Preise vergleichen, Tagungspauschalen aushandeln, mit dem IDAA-Vorstand abstimmen, Info auf die Homepage setzen, Sammelmeldung beim Störlauf organisieren… ich habe nicht gezählt, wie viele Stunden ich damit verbracht habe und wie viele E-Mails dafür hin- und hergingen.
Eigentlich wäre es aber doch ein erfreulicher Rückblick
Ich habe also wenig Lust, mich an meinem heutigen Diaversary gedanklich intensiv mit meinem Diabetes auseinanderzusetzen. Obwohl es ja durchaus ein erfreulicher Rückblick wäre:
- Ich habe nach 10 Jahren Diabetes keine Folgeerkrankungen.
- In 10 Jahren hatte ich noch keine einzige Ketoazidose.
- Auch eine schwere Hypo, bei der ich auf Fremdhilfe angewiesen gewesen wäre, habe ich noch nie erlebt.
- Meine Glukosewerte liegen zu 90 Prozent im Zielbereich.
- Mein Diabetes schränkt mich nicht ein in dem, was ich mir wünsche und was ich mache.
- Ich habe genug Insulin im Kühlschrank, das für 9 Monate reichen dürfte.
- Ich habe ausreichend viele Freestyle Libre-Sensoren.
- Auch Blutzucker-Teststreifen sind ausreichend viele vorhanden.
- Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich an dieser Versorgungslage etwas ändert.
- Mein Stoffwechsel ist Home Office gewöhnt, ich muss in der aktuellen Situation an meinem Diabetesmanagement überhaupt nichts ändern.
Die Corona-Krise macht mir meine Verletzlichkeit bewusst
Doch eine Krise wie die aktuelle Corona-Pandemie macht mir bewusst, dass ich im Zweifelsfall eben doch ein bisschen angreifbarer bin als andere Menschen, die nicht chronisch krank sind. Ich habe zwar keine Angst vor dem Virus selbst. Eine Infektion wäre sicher kein Spaß, aber ich bin zuversichtlich, dass ich sie ohne Intensivmedizin und Todesangst überstehen könnte. Aber wenn wegen der Corona-Krise ab irgendeinem Punkt langfristig Lieferketten versagen, Arztpraxen dichtmachen, medizinisches Equipment nicht mehr erhältlich ist, dann ist es halt deutlich blöder für mich als für chronisch Gesunde. Zum Glück sieht es nicht danach aus – aber das Bewusstsein, dass ich abhängig von Insulin und diversem Equipment bin, ist in so einer Krisenzeit halt ein bisschen deutlicher. Und verdirbt mir deshalb die Feierlaune.
Im Blog-Archiv gibt es schon ein paar Beiträge zu meinem Jahrestag
Ihr könnt aber gern in meinen älteren Diaversary-Beiträgen nachlesen, wie ich meine Diagnose erlebt habe und welche Gedanken ich mir in den vergangenen Jahren zu diesem Anlass durch den Kopf gegangen sind. Vor zwei Jahren gab es zum Beispiel eine rechnerische Bestandsaufnahme nach 8 Jahren Diabetes. Und zum 6. Diaversary habe ich hier die Geschichte meiner Diagnose und der ersten Zeit danach erzählt. Dieses Jahr ist anderes wichtig – aber nächstes Jahr werde ich mich an mein 10. Diaversary vermutlich als meinen Jahrestag mitten in der Corona-Krise erinnern. Und das ist dann doch wieder etwas ganz Besonderes.
Pingback: Mein persönlicher Rückblick auf das (Diabetes-)Jahr 2020 | Süß, happy und fit
25. April 2020 um 22:04
Ich wünsche dir weiterhin sehr viel Gesundheit. Ich selbst lebe seit 8 Jahren mit Diabetes.
LikeGefällt 1 Person
25. April 2020 um 22:50
Dankeschön, das wünsche ich dir auch! 🙏🏻
LikeLike
Pingback: 20. Diaversary - und gefeiert wird hier nix - Tattoos, Travels, Type One
30. März 2020 um 14:01
Hallo Antje,
Ich hab heuer mein 25jähriges Jubiläum mit spätem Typ 1 und mache seit damals http://www.diabetes-austria.com vielleicht kennst Du die Seite ja. Vorschlag: da du selbst schreibst, könntest Du dich selbst vorstellen und einen Link zu deinem Blog dazu.
Was meinst Du?
Schau Dir als Inspiration vielleicht unsere Patienten Porträts an. Liebe Grüße
LikeLike