Es gibt Missgeschicke und blöde Entscheidungen, die vermutlich allen von euch schon mal in der Diabetestherapie passiert sind: Insulindosis vergessen, beim Schätzen der Kohlenhydrate mordsmäßig verhauen oder den Diabetes einfach mal bewusst ignorieren. Mir sind neulich zwei Fehler unterlaufen, die so bislang noch nicht vorgekommen sind. Zur Nachahmung natürlich nicht empfohlen!
Wovon ich euch heute berichte, liegt schon ein paar Monate zurück. Wie ihr vielleicht gemerkt habt, war mir in letzter Zeit nicht so doll nach Bloggen. Aber jetzt, im neuen Jahr, wird das wieder anders. Denn es gibt nach wie vor immer wieder Neues zu erzählen, mit einem Typ-1-Diabetes wird es irgendwie nicht langweilig, oder? Ich habe hier ja schon desöfteren von blöden Fehlern in meiner Diabetestherapie erzählt, die mit Sicherheit vermeidbar gewesen wären und mir aber trotzdem unterlaufen sind. Tja, so ist das Leben – und es werden vermutlich immer mal wieder neue Fehler dazukommen, von denen ich bislang gar nicht ahne, dass sie passieren können.
In meiner Fehlersammlung gibt es natürlich ein paar langweilige Klassiker wie das krasse Verschätzen bei den Kohlenhydraten. Oder den viel zu spät bemerkten Riss in einer Insulinampulle. Oder das spontane Vergessen der Tatsache, dass ich Diabetes habe und vor einer Mahlzeit tunlichst ein bestimmtes Ritual aus Messen, Schätzen und Spritzen absolvieren muss. Ich habe vor einem Laufwettkampf ganz einfach zu spät oder etwas zuvor nicht gründlich Erprobtes gefrühstückt. Oder bei der Gartenarbeit wider besseres Wissen eine Hypo ignoriert, weil sie mir gerade nicht in den Kram passte. Und natürlich ich habe ab und zu diese speziellen Momente, in denen ich Lust habe zu naschen (bevorzugt in der Vorweihnachtszeit) und mir einbilde, dass mein Diabetes es heute wohl nicht mitkriegen wird, wenn ich einen Lebkuchen esse, ohna dafür Insulin zu spritzen. (Natürlich bemerkt er das.)
Zum Saunaabend mit Flammkuchen ohne ausreichend Insulin im Pen
Nun habe ich also zwei neue Exemplare in meiner Fehlerkollektion. Erstmal erzähle ich euch den harmloseren der beiden. Ich war in der Sauna, hatte mich auf einen gemütlichen Abend mit Schwitzen, Ausruhen, einem guten Buch und einem Besuch im Saunarestaurant eingestellt. Nach dem ersten Saunagang wollte ich zu Abend essen und bestellte mir einen klassischen Flammkuchen mit Zwiebeln und Speck. Als das Holzbrett mit dem überbackenen Teigfladen vor mir stand und ich ihn auf etwa 8 KE schätzte, die vermutlich wegen des vielen Fetts mit einer ordentlichen Verzögerung ankommen würden, bemerkte ich, dass in meinem Insulinpen nur noch 2 statt der benötigten 8 Insulineinheiten waren. Shit! Seit ich im Zuge der Corona-Pandemie mehr Zeit als sonst zu Hause verbringe, ist es mir schon häufiger passiert, dass ich erst bei den letzten Einheiten im Pen bemerkte, dass ich eine neue Ampulle einlegen muss. Zu Hause ist der Kühlschrank mit neuem Insulin nicht weit, da ist das kein Problem. Aber wenn die Option besteht, dass man unterwegs Insulin spritzen muss, sollte man schon ein bisschen früher dran denken, eine Reserve-Ampulle dabei zu haben.
Voll ins Risiko gegangen – zum Glück mit glimpflichem Ausgang
Tja, was sollte ich tun? Der leckere Flammkuchen stand dummerweise schon vor mir. Ich hatte Hunger und wollte auch gern den gerade erst begonnenen Saunaabend fortsetzen. Ich entschloss mich, ins Risiko zu gehen, die letzten 2 Einheiten zu spritzen, den Flammkuchen zu essen und einfach erstmal mit meinem Abend weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Mit ein bisschen Glück würde der Speck des Flammkuchens ganze Arbeit leisten und den Anstieg im Zaum halten, bis ich wieder zu Hause wäre. Mir war ein bisschen mulmig zumute, entsprechend war der Entspannungseffekt nicht so toll wie er hätte sein können. Doch tatsächlich stieg mein Glukosewert bis zum Ende des Saunaabends nur bis auf knapp 200 mg/dl an. Zu Hause angekommen, korrigierte ich etwas zu zaghaft – kurz vor dem Schlafengehen wollte ich nicht allzu doll draufhauen – und wurde nachts einmal von einem Alarm wegen eines zu hohen Werts jenseits der 240 mg/dl geweckt. Noch einmal korrigiert, dann war alles gut. Puh. Seither war ich noch zweimal wieder in der Sauna und habe immerhin bei diesen Gelegenheiten immer noch einmal gecheckt, ob ich noch genug Insulin im Pen habe, um dort gemütlich zu Abend zu essen.
Drei heftige Hypos pro Nacht und tagsüber viel zu hohe Werte
Mein zweiter Fehler hatte nochmal ein ganz anderes Kaliber. Eines Tages fing mein Diabetes an zu spinnen. Abends vor dem Schlafengehen, natürlich grundsätzlich nach dem Zähneputzen, rauschte mein Glukosewert in abenteuerlichem Tempo in den Keller. Ich wunderte mich, dass ich mich beim Abendessen so doll verschätzt hatte, futterte etliche KE in Form von Traubenzucker und ging schlafen. Doch in der Nacht weckte mich mein Hypo-Alarm. Nicht einmal, sondern gleich zweimal. Jedes Mal Traumenzucker, jedes Mal schlaftrunken kurz nochmal Zähne putzen. Am Morgen trotzdem ein niedriger Nüchternwert. Dafür tagsüber ungewöhnlich hohe Werte. An den folgenden Abenden dasselbe Spiel: Kurz vor dem Schlafengehen die erste Hypo, in der Nacht mehrere weitere. Ich verstand die Welt nicht mehr, rätselte hin und her, wie ich wohl meine Basalrate und/oder meine KE-Faktoren anpassen müsste, damit es wieder rund läuft. Ich war drauf und dran, einen Termin mit der Diabetespraxis zu vereinbaren, um mit meinem Diadoc oder einer Diabetesberaterin auf Spurensuche zu gehen.
„Insulin verwechseln? Das passiert mir doch nicht!“
Natürlich sprach ich auch mit Christoph über das Problem. Er wurde ja Nacht für Nacht ebenfalls geweckt, wenn der Zucker wieder auf Sinkflug war. Er überlegte ebenfalls mit und stellte auf einmal die entscheidende Frage, die mir noch überhaupt nicht in den Sinn gekommen war: „Du spritzt doch immer um 21:30 Uhr Lantus. Und anderthalb Stunden später rauscht dein Zucker in den Keller, fast für die ganze Nacht. Kann es sein, dass du nicht Lantus, sondern Lyumjev spritzt?“ Ich meinte: „Quatsch, der Lantus-Pen ist rot, der Lyumjev-Pen ist grün. Die verwechsele ich nicht.“ (Das war ein Fehler, den ich vor vielen Jahren einmal gemacht hatte, woraufhin ich mir ohne jeglichen Appetit eine größere Menge Apfelsaft und ein Snickers hinunterzwingen musste.) Christoph ließ aber nicht locker: „Und wenn du versehentlich das falsche Insulin in deinen Lantus-Pen gepackt hast?“ Das konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen. Denn eigentlich schaue ich schon genau hin, aus welcher Packung ich da eine neue Ampulle herausfische. Betonung auf ‚eigentlich‘.
Nachts gegen eine Riesenmenge Bolusinsulin anfuttern
Ich holte meinen roten Lantus-Pen aus dem Täschchen und schaute vorsichtshalber doch einmal nach: Tatsächlich steckte eine Ampulle Lyumjev drin! Ich hatte mir also ein paar Tage lang abends statt 14 Einheiten Lantus dieselbe Menge ultraschnellwirksames Lyumjev verabreicht. Kein Wunder, dass mein Glukosewert zur Schlafenszeit abrauschte und dass meine Werte tagsüber so bescheiden waren! Und dass ich nachts gegen eine Riesenmenge Bolusinsulin anfuttern musste, während mir tagsüber das Basalinsulin fehlte! Ich war ehrlich erschrocken, als ich meinen Fehler bemerkte. Denn in dem Moment realisierte ich, wie glimpflich – sprich ohne schwere Hypo mit Fremdhilfe oder gar Notarzt-Einsatz – auch dieser Irrtum ausgegangen war. Gleichzeitig war ich natürlich enorm erleichtert, dass es für mein vermeintlich komplexes Problem eine so einfache Lösung gab. Und nebenbei bemerkt war Christoph enorm stolz, dass er mit seiner strukturierten Analyse dem Fehler auf die Spur gekommen war. Ich entfernte die angebrochene Ampulle Lyumjev aus meinem Basal-Pen, ersetzte sie durch eine Ampulle Lantus und hatte ab der nächsten Nacht wieder Ruhe.
Hauptsache, man kapiert halbwegs schnell, wo der Fehler liegt
Wenn ich so zurückblicke, was dies der krassteste Fehler, der mir in meiner Diabetestherapie bislang unterlaufen ist. Ich hoffe natülich inständig, dass mir nichts noch Blöderes einfällt. Aber machen wir uns nichts vor: Unachtsamkeiten kommen immer wieder mal vor. Vermutlich werde ich nicht noch einmal Lyumjev statt Lantus in meinen Basal-Pen packen. Doch ein paar noch ganz andere Fehler warten garantiert noch auf einen Platz in meiner Sammlung. Hauptsache, sie führen nicht zum Super-GAU und man kommt rechtzeitig dahinter, wo das Problem liegt, oder? Was waren die blödesten Fehler, die euch bei eurer Diabetestherapie bislang passiert sind?