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Von wegen zuckerkrank – ein Blog über glückliches Leben, leckere Ernährung und Sport mit Typ-1-Diabetes

Werbung und Produktplatzierung auf Diabetes-Blogs – was geht und was geht nicht?

2 Kommentare

Ilka von mein-diabetes-blog.com und Tine von Icaneateverything haben ganz frisch eine Diskussion angestoßen, an der ich mich gern beteiligen möchte. Es geht um die Frage, wie Diabetes-Blogger sich im Umgang mit der Industrie verhalten, von der sie ab und an zu Veranstaltungen oder Produkttests eingeladen werden.

Ist es Werbung, solche Einladungen anzunehmen? Ab welchem Punkt ist eine Kooperation kennzeichnungspflichtig? In welche Kategorie fallen Fotos auf Instagram, in denen ein Sensor am Bauch besonders hübsch in Szene gesetzt wird? Leidet dadurch die eigene Authenzität und damit das Vertrauen, das die Blog-Leserinnen und Leser in uns setzen? Ich halte dies für eine gute und wichtige Diskussion und möchte euch deshalb an dieser Stelle einmal erzählen, wie ich das handhabe und warum.

Ohne Einladungen der Industrie könnte ich kaum Kongresse besuchen

Im Grunde mache ich beim Bloggen nichts wesentlich anders als in meiner sonstigen journalistischen Tätigkeit. In meinem Job werde ich auch häufig zu Veranstaltungen eingeladen, bei denen das einladende Unternehmen die Reise- und Unterbringungskosten trägt. Und ganz offen gestanden bin ich auf solche Einladungen auch bis zu einem gewissen Grad angewiesen. Denn auf eigene Kosten könnte ich zum Beispiel nicht nach Lissabon zum EASD-Kongress fliegen, wenn ich mit meiner Arbeit als freie Journalistin am Ende auch irgendwie Gewinn erzielen will. Auch die Redaktionen der Zeitschriften, für die ich schreibe, haben keine besonders üppigen Reisekostenbudgets. Wenn ich also z. B. für die Diabetes Zeitung irgendwo herumschwirre um von Kongressen zu berichten, dann ist das in der Regel mit einer Einladung durch einen Industriepartner verbunden, dessen Veranstaltung ich im Rahmen des Kongresses besuche.

Wie läuft das in einer Redaktion mit Industrieeinladungen?

Geht das mit das mit meiner journalistischen Unabhängigkeit zusammen? Grundsätzlich finde ich schon. Zumindest wenn die Berichterstattung von solchen Industrieveranstaltungen von der regulären Berichterstattung deutlich getrennt wird. In der Diabetes Zeitung etwa erscheinen sie in der Rubrik „Medizin und Markt“, die mit dem Zusatz „Nach Angaben der Unternehmen. Die Herausgeber dieser Zeitung übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt dieser Seiten“ gekennzeichnet ist. Mehr als 60 bis 70 Zeilen Text sind bei diesen Berichten nie drin, egal wie toll das Thema war. Bei den Texten, die man dort liest, ist davon auszugehen, dass die Verfasserin auf Kosten des Unternehmens eine Veranstaltung besucht oder dass das Unternehmen einen passablen Anzeigenauftrag geschaltet hat. Oder auch beides. In der Praxis heißt das für mich: So eine Einladung zu einem Industrie-Event ist quasi das Ticket zu dem Kongress, über den ich dann frei und unabhängig berichten kann.

Kostenlose Kreuzfahrt: Beeinflusst das die Art, wie ich darüber schreibe?

Dann gibt es das Kapitel Produkttests. Es spielt in meiner journalistischen Arbeit eine untergeordnete Rolle und betrifft eigentlich nur Buchrezensionen. Weil ich mich irgendwann einmal in diverse Presseverteiler habe eintragen lassen, werden mir täglich mindestens zwei Buch-Neuerscheinungen verschiedener Verlage zur Rezension angeboten. Titel zum Thema Chirurgie in allen Facetten, zur Diabetologie, zu Ernährung, Kochen und Abnehmen. Manche Bücher fordere ich dann als Rezensionsexemplare an, sie werden mir dann gratis zugeschickt, das ist gängige Praxis. Über einige dieser Bücher schreibe ich dann auch tatsächlich, aber längst nicht über alle. Bei Buchrezensionen ist es in journalistischen Veröffentlichungen eigentlich nicht üblich, eigens darauf hinzuweisen, dass die Redaktion das Buch gratis vom Verlag erhalten hat. Ebenso wird bei Berichten in der Regel nicht erwähnt, dass die Journalistin keine Kongressgebühr (oder Eintritt zum Konzert, in die Ausstellung… etc. pp.) entrichten musste. Ein etwas schwierigeres Pflaster ist Reisejournalismus. Als ich vor knapp einem Jahr gratis eine Kreuzfahrt auf der Aida mitmachen durfte, um für Focus Diabetes über das Thema „Kreuzfahrt mit Diabetes“ zu berichten, habe ich diese Form der Reiseorganisation durchaus als eine Grauzone empfunden. Ich habe mich während der Reise und beim Schreiben immer wieder mal gefragt, ob ich die Reise genauso empfinden würde, wenn ich dafür den vollen Preis gezahlt hätte. Ob ich manches beschönige, weil ich nichts dafür bezahlen musste. Oder ob ich am Ende überkritisch berichte, damit mir erst gar nicht vorgeworfen werden kann, dass ich mich habe kaufen lassen.

Niemand ist frei von persönlichen Interessenkonflikten

Es ist wichtig, dass über solche Grenzfälle diskutiert wird (Beispiel siehe hier). Es ist auch gut und richtig, permanent die eigene Haltung zu hinterfragen und in sich zu lauschen, aus welcher Motivation heraus man nun genau dies oder etwas andere schreibt. Doch meiner Überzeugung nach ist vollständige journalistische Unabhängigkeit Wunschdenken, das mit der Realität nichts zu tun hat. Denn auch als Journalistin lebe ich ja mitten in dieser Welt und habe daher immer auch persönliche Interessen. Stellen wir uns einmal Folgendes vor: Ich bin privat alleinerziehende Mutter, beruflich Journalistin. Meine Redaktion schickt mich los, weil ein Bericht über einen Streik an einer Kita in die nächste Ausgabe kommen soll. Kann ich über einen Kita-Streik und die Beweggründe der Streikenden wirklich vollständig unabhängig berichten, wenn mir privat auf gut Deutsch gesagt der Arsch auf Grundeis gehen würde, sollte an der Kita meines Kindes einmal gestreikt werden? Das Beispiel lässt sich beliebig auf tausend andere Bereiche übertragen. Wir sind nie ganz unabhängig, weil wir ebenso wie unsere Leserinnen und Leser mittendrin in dieser Welt leben und in unserem Leben natürlich auch persönliche Interessen verfolgen.

Disclaimer erinnert daran, dass da ein Mensch schreibt, der ein Leben lebt

Hundertprozentig lösen lässt sich der Konflikt nicht. Aber man kann ihn immerhin versuchen ein wenig transparent zu machen. Sollte ich also in einer Tageszeitung – um beim obigen Beispiel zu bleiben – einen Bericht einer alleinerziehenden Redakteurin zum Thema Kitastreik lesen, fände ich eine kleine, meinetwegen auch augenzwinkernde Notiz zu diesem Interessenkonflikt am Ende des Artikels schön. Solche klitzekleinen biographischen Disclaimer sind ja vielerorts schon anzutreffen. Und selbst wenn sie nicht vollständig sind (wer könnte denn jemals sämtliche seiner großen und kleinen Interessenskonflikte offenlegen?), so erinnern sie mich als Leserin doch immer wieder daran, dass da ein Mensch geschrieben hat, der vielleicht nicht nur als Profi, sondern immer auch ein bisschen als Mensch an die Themen herangeht, über die er schreibt.

Was bedeutet das nun fürs Bloggen? Ich schreibe euch hier einmal auf, wie ich das oben Gesagte beim Bloggen anwende:

  1. Einladungen zu Blogger-Events. Ich werde recht häufig zu Events für Diabetes-Blogger eingeladen. Wenn sie im Vorfeld eines Kongresses stattfinden, den ich ohnehin besuchen möchte, nehme ich diese Einladungen sehr gern an, denn dann sind sie (wie oben beschrieben) quasi mein Ticket zu einem Kongress, über den ich berichten möchte. Mich hat noch nie ein einladendes Unternehmen dazu aufgefordert, DASS ich etwas auf meinem Blog über das Event schreiben möge, geschweige denn WAS ich zu schreiben habe. Beides wären für mich auch Killer-Argumente, denn ob und worüber ich auf meinem Blog schreiben möchte, weiß ich ja erst, wenn das Event hinter mir liegt und einen guten/schlechten/lala-Eindruck hinterlassen hat. Bei anderen Blogs gefallen mir in der Regel die Blogbeiträge von Events am besten, in denen die besprochenen Diabetes-Inhalte kritisch reflektiert werden. Reiseberichte, die Bilder von Hotelzimmern zeigen und ansonsten davon handeln, wer wann wo mit wem einen Cocktail getrunken hat, interessieren mich weniger. Aber das ist sicherlich auch Geschmacksache. Wenn ich über ein Event schreibe, habe ich mir angewöhnt, unter den Blogbeitrag einen Disclaimer zu platzieren, in dem ich darauf hinweise, dass das betreffende Unternehmen die Kosten meiner Reise übernommen hat.

    Produkttests. Es kommt eher selten vor, dass mir Produkte zum Testen angeboten werden. Das Produkt muss mich schon neugierig machen und auch thematisch zu meinem Blog passen, wenn ich es ausprobieren soll. Mir fallen ad hoc nur mein Test der Linie Essential Nutrition (Süßstoff und Eiweißpulver) und des Sportschuhs InSoul Move ein. Ob sich meinen Blogbeiträge verkaufsfördernd ausgewirkt haben, kann ich nicht beurteilen, eine Rückmeldung hierzu habe ich nicht erhalten. Die Pülverchen von Essential Nutrition jedenfalls hatten mich nicht wirklich überzeugt, den Sportschuh habe ich einfach in meinen Schuhschrank integriert, trage ihn aber eher nicht zum Laufen, sondern nur in meiner Freizeit. Ich denke, dass das in meinen Blogbeiträgen dazu auch deutlich wird. In jedem Fall fand ich die Tests reizvoll, weil ich mich sowohl für kohlenhydratfreie Zuckeralternativen als auch für bequeme Sportschuhe interessiere. Demnächst wird es hier wohl einen weiteren Produkttest geben: Ich bekomme einen digitalen Insulinpen Pendiq zum Testen, auf den ich schon sehr gespannt bin, seit ich mich von dem Gedanken an eine Insulinpumpe erstmal wieder verabschiedet habe. Einen solchen Produkttest werte ich im Grundsatz wie eine Buchrezension: Ich müsste eigentlich nicht erwähnen, dass mir das Produkt vom Unternehmen gratis zur Verfügung gestellt wurde, platziere aus Gründen der Transparenz aber einen Disclaimer unter den Blogpost, in dem ich darauf hinweise.
  2. Sponsored Posts oder Kooperationen. Gelegentlich erhalte ich Anfragen von Agenturen, die mir vorschlagen, gegen Honorar vorgefertigte bzw. inhaltlich mit mir abgestimmte Texte auf meinem Blog zu veröffentlichen. Meist hängt der Mail gleich ein Kooperationsvertrag an. So etwas ist im presserechtlichen Sinne (hier mal ein Link zum Pressekodex mit dem entsprechenden Passus zur Trennung von Werbung und Redaktion) ganz eindeutig Werbung und muss zwingend gekennzeichnet werden. Ich persönlich lehne solche Anfragen grundsätzlich ab. Zum einen, weil das Honorar, das mir für eine solche Kooperation geboten wurde, bislang immer lächerlich gering war. Für 50 Euro versaue ich mir nicht meinen Ruf, um es mal deutlich zu sagen. Zum anderen, weil ich mir generell nur sehr ungern in meine Texte reinquatschen lasse. Man kann mich zwar auch als PR-Texterin buchen, dann schreibe ich auch willig werbewirksam. Doch dann erscheinen diese Texte am Ende auch im Namen und in der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens – und nicht in meinem Namen. Ich sehe aber auch, dass es hauptberufliche Blogger gibt, die mit ihren Blogs Gewinn erwirtschaften müssen und deshalb auf Kooperationen nicht verzichten. Ein Beispiel, wie man das elegant und transparent lösen kann, ohne den eigenen Stil zu verraten, findet man auf Happy Carb, wo Betti über eine Einladung von Meridol zur Diabetes-Gala berichtet. Wie viel derartiger Werbung ein Blog verträgt, muss jeder Blogger selbst entscheiden und herausfinden.
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  3. Produktplatzierung in den sozialen Netzwerken. Und was ist mit diesen Bildern auf Instagram, die einen Glukosesensor im Dekolleté zeigen, oder Insulinpumpen im Flauschbett, deren Schlauch zu einem Katheter in einem besonders hübschen Bauch führt? Mich persönlich sprechen diese Bilder nicht sonderlich an. Sie haben mich bislang auch nicht dazu verführt, ein bestimmtes Produkt zu testen oder gar zu kaufen. Meist handelt es sich ja ohnehin um Medizinprodukte, die vom Arzt verschrieben und von der Krankenkasse bezahlt wurden – ob man nun auf Instagram damit posiert oder nicht. Wer’s mag – bitte sehr. Vielen Leuten gefällt es ja offenbar. Für mich scheidet diese Darstellungsoption allerdings aus, weil ich weder eine Insulinpumpe trage, noch meinen Bauchspeck wirklich so ansehnlich finde, dass ich damit Instagram tapezieren möchte. Wenn ich gelegentlich Fotos von meinem Freestyle Libre-Sensor oder Glukosekurven auf dem Lesegerät poste, dann geht es mir weniger um das Produkt als um das, was da geschehen ist: Sensor abgerissen? Sensorfaden abgeknickt? Neues Tape ausprobiert? Fehlermeldung? Tolle oder beschissene Glukosekurve? Was war da los an diesem Tag? Also Alltägliches, das ich mit anderen teilen möchte, weil es sie (vielleicht) ebenfalls interessiert. In anderen Bereichen als der Diabetes-Szene gibt es beim Thema Produktplatzierung sicher großen Diskussionsbedarf. In unserer speziellen Nische sehe ich ihn nicht so sehr.

Nun aber die große Frage: Wie handhabt ihr das auf euren Blogs? Wie geht ihr mit Interessenskonflikten um? Sind Diabetes-Blogs für euch glaubwürdig, wenn darin auch Produkte und Berichte von Industrie-Veranstaltungen vorkommen?

2 Kommentare zu “Werbung und Produktplatzierung auf Diabetes-Blogs – was geht und was geht nicht?

  1. Pingback: Warum ich schon länger nicht mehr auf allen Diabetes Veranstaltungen tanze - mein-diabetes-blog.com

  2. Hi Antje, wir finden deinen Blog sehr interessant! Auch wie wir ist er sehr nachhaltig. Vielleicht magst du uns mal besuchen und eine Kooperation entsteht. LG Natalie von Elbtaste

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