Süß, happy und fit

Von wegen zuckerkrank – ein Blog über glückliches Leben, leckere Ernährung und Sport mit Typ-1-Diabetes

Für euch getestet: Neue Traubenzucker-Kautabletten aus dem Plastikröhrchen

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Vor gut anderthalb Jahren habe ich bei einer Marktforschung mitgemacht. Dabei sind wir in einem einstündigen Telefoninterview der Frage nachgegangen, wie der perfekte Traubenzucker für mich beschaffen sein müsste, mit dem ich meine Hypos bekämpfe. Und nun habe ich ein Testpaket bekommen, das Proben der Produkte enthält, die am Ende bei dem Entwicklungsprozess herausgekommen sind.

Absender des Pakets war die Firma Sanotact*, die schon seit vielen Jahren die kleinen, in Plastikfolie verpackten Traubenzuckerdrops mit dem Namen ‚intact‘ vertreibt, die man vor allem im Kassenbereich von Apotheken findet. Nun hat das Unternehmen also ein Produkt herausgebracht, das speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes eingeht und in das auch die Erkenntnisse aus den besagten Telefoninterviews eingeflossen sind. Um mein Fazit schon mal vorwegzunehmen: Das Ergebnis gefällt mir nur so mittelmäßig.

Ich habe mir natürlich nochmal meinen Blogbeitrag von Februar 2020 durchgelesen, in dem ich nach dem Telefoninterview meine Anforderungen an den perfekten Traubenzucker zusammengefasst hatte. An meinen Wünschen hat sich seither nichts Wesentliches geändert. Allerdings bin ich zwischenzeitlich doch endlich dazu übergegangen, meine Pennadeln online bei DiaExpert* zu bestellen und auf diese Weise die Zuzahlung und auch die leidigen Fragen nach meinem Pennadelverbrauch zu vermeiden, die bei Einlösung des Rezepts in der Apotheke nun mal anfallen. Und da kann man bei einer Bestellung auch gleich ein bis zwei Säcke Traubenzucker mitbestellen, die es dort in Großpackungen à 50 Stück (einzeln verpackt, je 6 Gramm Kohlenhydrate) in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Weil die geschmacklich okay, einzeln verpackt (und damit für jegliche Alltagssituationen inklusive Sport geeignet) und zudem auch noch unschlagbar günstig sind, gibt es für mich auch erst einmal keinen Grund, meinen Traubenzucker-Dealer zu wechseln. (Der Fairness halber will ich erwähnen, dass es solche Großpackungen auch beim Onlinehändler Diashop* gibt.)

Das neue Produkt in Zahlen und Fakten

Doch natürlich habe ich den Inhalt des Testpakets genau unter die Lupe genommen und den Traubenzucker im Alltag getestet. Erst einmal zu dem neuen Produkt speziell für Menschen mit Diabetes, das den etwas sperrigen Namen ‚Dextrose Kautablette. Traubenzucker für schnelle Glukosezufuhr‘ trägt. Der Begriff ‚Kautablette‘ ist vermutlich aber wichtig, weil in solchen Röhrchen häufig Brausetabletten (Aspirin oder Mineralstoffpräparate zum Beispiel) verkauft werden. Es soll ja niemand auf die Idee kommen, eine Tablette Traubenzucker in ein Glas Wasser zu werfen und darauf zu warten, dass sie sich auflöst. Ein Plastikröhrchen enthält 8 Tabletten à 5 Gramm Kohlenhydrate, die nach Himbeere schmecken. Das Röhrchen lässt sich mit einem gewissen Kraftaufwand leicht öffnen und ist wiederverschließbar. Im Supermarkt oder bei den beiden großen Online-Händlern für Diabetesbedarf habe ich die Produkte noch nicht entdeckt. Bei meinem letzten Apothekenbesuch habe ich es offen gestanden verpennt, danach zu schauen. Der Link auf der Homepage von Intact Expert führt zu einem Online-Shop, in dem man sie für 2,49 Euro pro Röhrchen kaufen kann. Bei Amazon habe ich sie für 3,49 Euro gesichtet.

Und das sind meine persönlichen Eindrücke

Wirkung als Hypohelfer. Es ist nun keine große Überraschung, dass Traubenzucker bei einer Hypo hilft. Doch da das nun einmal das zentrale Einsatzgebiet des Produkts ist, sollte dieser Aspekt erwähnt werden. Also: Die Tabletten funktionieren, der Glukosewert steigt rasch wieder an. Gut finde ich auch, dass eine Tablette 0,5 KE (also 5 Gramm Kohlenhydrate) enthält und nicht 0,5 BE (also 6 Gramm Kohlenhydrate) wie z. B. die oben erwähnten Traubenzuckerplättchen von Diashop und DiaExpert enthält. Ich rechne von Anfang an mit Kohlenhydrateinheiten (KE) statt mit den alten Broteinheiten (BE) und finde das Umrechnen und auch Dokumentieren mit KE deutlich einfacher.

Geschmack und Konsistenz. Himbeere (bislang die einzige Sorte mit dem Label ‚Hero‘ als Hypohelfer für Menschen mit Diabetes) ist nicht mein persönlicher Geschmacksfavorit. Aber geschmacklich auch nicht übel. Die runde Form der Tabletten finde ich angenehm, sie lösen sich auch rasch im Mund auf (auch wenn Kautablette draufsteht, mag ich es lieber, wenn ich nicht allzu viel kauen muss, sondern sich der Zucker rasch von selbst im Mund auflöst).

Verpackung. Wie seinerzeit beschrieben, bevorzuge ich in der Regel die einzeln verpackten Plättchen. Und zwar, weil man gut ein paar davon in die Hosentasche stecken kann, ohne dass sie zwicken oder auftragen und weil sie dank der Plastikfolie auch vor Feuchtigkeit und Schmutz geschützt sind. Das Plastikröhrchen mit den Intact-Kautabletten passt da nicht ganz so gut ins Konzept. In der Hosentasche einer engen Jeans drückt es, und wenn ich so ein Röhrchen in die Reißverschlusstasche meiner Laufhose quetsche, klackern die verbliebenen Tabletten bei jedem Schritt wild darin herum. Das ist eine Geräuschkulisse, die ich beim Laufen sehr nervig finde. Außerdem führt das Geschüttel auch dazu, dass die Tabletten sich in dem Röhrchen nach und nach pulverisieren. Beim Öffnen heißt es also aufpassen: Es könnte staubig werden! Das finde ich nicht so ideal und könnte mir daher eher vorstellen, die Röhrchen im Auto oder in der Handtasche zu deponieren, um eine Vorsichtsration Traubenzucke dabei zu haben. Positiv ist allerdings anzumerken, dass der Deckel des Röhrchens auch nach mehrmaligem Öffnen sicher schließt und den Traubenzucker also schön trocken hält. Auch die Skalierung am Rand des Röhrchens, die quasi den Füllstand anzeigt und auch verdeutlicht, dass eine Tablette 5 Gramm Traubenzucker entspricht, finde ich gut.

Vertrieb und Preis. Puh, das passt für mich leider nicht. Ich finde es ideal, wenn ich für den Kauf von Traubenzucker nicht eigens einen bestimmten Laden (ob stationär oder online) ansteuern muss, sondern ihn beim Supermarkteinkauf oder beim Bestellen meines restlichen Diabetesbedarfs miteinkaufen kann. Außerdem finde ich 2,49 (31 Cent pro Tablette à 0,5 KE) bzw. 3,49 (43 Cent pro Tablette à 0,5 KE) Euro für 45 Gramm aromatisierten Zucker einen sehr stolzen Preis. Bei Diashop kostet ein Sack mit 100 Plättchen Traubenzucker 9,90 Euro (unter 10 Cent pro Plättchen à 0,5 BE), bei DiaExpert gibt es eine Packung mit 50 Plättchen Traubenzucker für 5,95 Euro (knapp 12 Cent pro Plättchen à 0,5BE). Der hohe Preis des neuen Produkts ist für mich wirklich ein K.O.-Kriterium, denn Traubenzucker ist halt einfach Traubenzucker und kein Luxusprodukt.

Das eigentliche Problem ist aber nicht der Traubenzucker für Menschen mit Diabetes!

Und nun kommen wir zu dem Punkt, warum das Testpaket am Ende dann einen doch einen negativen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Mit der Markenerweiterung von intact Expert hat die Firma Sanotact nämlich nicht nur den Hypohelfer ‚Hero‘ für Menschen mit Diabetes eingeführt, sondern auch die Produkte ‚Multi‘ und ‚Mental‘, von denen auch jeweils ein Röhrchen meinem Testpaket beilag. Sie enthalten beide 12 Kautabletten aus Traubenzucker und werden als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Zu den Vorteilen der beiden Produkte schreibt Sanotact in seinen Marketingunterlagen: „Zielgruppe sind Personen, die eine Süßigkeit mit etwas Positivem verbinden möchten (Mütter zum Schutz vor Krankheiten, Rentner für die Gesundheit, Kreuzworträtsellöser, Stress im Job etc.)“ Ganz ehrlich? Wenn ich sowas lese, sehe ich echt rot. Zucker ist nicht gesund, Zucker schützt nicht vor Krankheiten (sondern verursacht eher welche), Zucker hilft auch nicht bei Stress im Job. Was wirklich hilft, wenn es während eines langen Arbeits- oder Schultags mal an Konzentration mangelt, ist ein bisschen Bewegung an der frischen Luft. Doch damit kann ein Hersteller von Traubenzucker natürlich kein Geld verdienen.

Auf der Produktseite von intact findet man diese Marketingziele dann in Werbebotschaften für den Verbraucher verpackt, lest einfach selbst (mit einem Klick auf’s Bild wird der Screenshot so groß, dass man den Text gut lesen kann):

Das Konzept von intact Expert ‚Multi‘ und ‚Mental‘ erinnert mich auf ungute Weise sehr an die unsägliche Kampagne von Dextro Energy vor ein paar Jahren. Die Firma wollte mit ihrem Produkt ‚Schulstoff‘ (Mini-Traubenzuckerplättchen in einer kleinen Faltschachtel) Eltern unbedingt davon überzeugen, dass Schulkinder im Verlauf eines Schultags unbedingt mehrfach Traubenzucker einwerfen sollten, damit sie sich gut konzentrieren und lernen können. Es gab sogar eine konkrete Empfehlung für die Mengen, die Schulkinder im Verlauf eines Schultages zu sich nehmen sollten, damit ihr Gehirn dem Unterricht konzentriert folgen kann. Leider habe ich seinerzeit keine Screenshots gemacht, denn als bei der Markteinführung der große Shitstorm losging, hatte ich dieses Blog noch nicht. Ich habe mich nur auf meinem privaten Facebook-Account darüber aufgeregt:

Was in aller Welt soll diese Kampagne für „Schulstoff“ mit der Empfehlung, Schulkinder sollten alle 15-20 Minuten 4 Täfelchen Traubenzucker essen? Haben wir nicht bereits genug übergewichtige Kinder mit falschen Ernährungsgewohnheiten? So viel Zucker kann kein Gehirn verbrennen, nicht mal bei Höchstleistungen. Für mich als Typ-1-Diabetikerin ist Traubenzucker gelegentlich unverzichtbar, aber Schulkinder sind mit gesunder Kost weit besser bedient. Ich habe es grad nachgewogen: 4 von diesen Minitäfelchen wiegen 5g, bei 369 kcal pro 100g macht das also 18,5 kcal. Pro Stunde wären das nach Empfehlung von Dextro 56 (alle 20 Minuten) bis 74 kcal (alle 15 Minuten) zusätzlich, in 6 Stunden kommen also 336 (alle 20 Minuten) bis 444 (alle 15 Minuten) kcal zusammen. Ohne jeglichen Sättigungseffekt oder Nährwert, einfach nur Zucker pur. Dafür verbraucht das Kind aber jeden Tag eine ganze Packung Dextro minis, das ist doch prima…

Post vom 23.5.2013 auf meinem privaten Facebook-Account

Inzwischen sind wir ein paar Jahre weiter. Und sämtliche Hersteller von Traubenzucker hatten nach diesem Shitstorm eine faire Chance, ihre Marketingstrategien kritisch zu reflektieren. Zumal Dextro 2017 dann sogar höchstinstanzlich unteragt wurde, unzutreffende Gesundheitsversprechen (im Marketingsprech: ‚health claims‘) in seiner Werbung einzusetzen – etwa dass Traubenzucker für den Gehirnstoffwechsel benötigt wird. Inzwischen sind die Formulierungen bei Dextro etwas verwaschener und damit nicht so leicht juristisch angreifbar, aber ganz aktuell (datiert auf den 27.9.2021) empfiehlt das Unternehmen immer noch, die Schultüte (neben Spielzeug) mit Süßigkeiten wie Dextro Schulstoff zu befüllen: „Zum Schulstart passt der Schulstoff von Dextro Energy perfekt. Auch Minis oder Dextrose-Würfel machen sich super in der Schultüte – und später dann in der Federmappe oder der Brotdose.“ Ein ganz entschiedenes Nein! Nix gegen ein bisschen Naschkram in der Schultüte, aber im Schulalltag hat reiner Traubenzucker als vermeintliches Gehirndoping echt nichts verloren. Vor allem angesichts der Tatsache, dass hierzulande immer mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig sind (aktuell sind nach Information der Deutschen Adipositas-Gesellschaft 2 Millionen sind übergewichtig, weitere 800.000 sogar adipös) und damit u. a. auch ein erhöhtes Risiko haben, früher oder später einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich der ohnehin schon grassierende Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen noch einmal drastisch verschärft, was das Risiko für Übergewicht und diverse Erkrankungen noch einmal zusätzlich erhöht.

Und mitten in einer solchen Pandemie, nach Gerichtsurteilen zum Verbot von Werbung mit unzutreffenden Gesundheitsversprechen und unzähligen Appellen diverser Organisationen, nach alledem bringt Sanotact allen Ernstes ein neues Produkt auf den Markt, das offenbar in genau dieser besch… Liga wie der blöde Dextro Schulstoff spielen soll. Das finde ich veranwortungslos – und bin mir sogar nicht sicher, ob dem Unternehmen deswegen nicht auch eine Abmahnung wegen unzulässiger Health Claims ins Haus flattern könnte. Ich halte mich daher künftig an die Anbieter, die Traubenzucker als das anbieten, was er sein sollte: ein Hypohelfer für Menschen mit Diabetes, auch wenn damit die potenzielle Zielgruppe für das Produkt deutlch kleiner ist.

*Ich habe das Testpaket mit insgesamt 6 Röhrchen Traubenzucker unentgeltlich vom Unternehmen Sanotact erhalten. Mit der Lieferung waren keine besonderen Bedingungen verknüpft. Weder habe ich mich verpflichtet, überhaupt über meinen Test zu berichten, noch gab es Vorgaben, wie ich zu berichten habe. Auch mit den namentlich erwähnten Firmen DiaExpert und Diashop verbindet mich keine geschäftliche Beziehung. Dieser Beitrag spiegelt wie immer ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke wider.

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